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28. Februar 2022

Carolin Kebekus: Es kann nur eine geben

Pointierter Rundumschlag.

„Es kann nur eine geben“ – das klingt erstmal vertraut. Schließlich bläut Heidi Klum ihren „Meedchen“ seit Jahren ein, dass nur eine Germany’s Next Topmodel werden kann. Carolin Kebekus zeigt gleich auf den ersten Seiten ihres Buches auf, dass der Gedanke der einsamen Frau an der Spitze schon viel älter ist: Schneewittchen oder die Stiefmutter – nur eine kann die Schönste im ganzen Land sein. Aschenbrödel oder eine ihrer Stiefschwestern – nur eine wird den Prinzen heiraten. Und selbst beim weihnachtlichen Krippenspiel gibt es nur eine explizite Frauenrolle.


Scharfzüngig und pointiert macht Kebekus deutlich, dass Frauen die Konkurrenz zueinander fast schon in die Wiege gelegt wird – und nimmt sich selbst dabei nicht aus. Wenn man mit der Erkenntnis sozialisiert wird, dass nur eine die Schöne oder die Schlaue oder die Lustige sein kann, sind alle anderen Frauen eine Gefahr. Als Comedienne, der oft genug abgesagt wurde, weil man schon eine Frau in der Show hätte (und somit keine weitere bräuchte), wurde ihr bereits zu Beginn ihrer Karriere verdeutlich, dass es nur eine geben kann. Das Perfide: Wenn man mit dieser seltsamen Argumentation von Beginn an konfrontiert wird, neigt man auch noch dazu, sie hinzunehmen. Kebekus arbeitet diese Denkfalle in ihrem Buch auf und schildert, wie sie da wieder rausgekommen ist. Unterbrochen werden die Kapitel von Illustrationen, die ich nicht besonders lustig fand, und einer Liste mit allen deutschsprachigen Kolleginnen, die sich sehr beeindruckend liest. In der Comedyszene gibt es nicht nur eine Frau, es sind sehr, sehr viele, und Kebekus bereitet ihnen in ihrem Buch eine Bühne und plädiert dafür, andere Frauen zu würdigen, zu feiern und zu unterstützen. Nebenbei gewährt sie ihren Leser*innen einen Blick hinter die Kulissen des meist männlichen Unterhaltungsbetriebs – auch ganz spannend.

Doch es geht nicht nur um die eigenen Erfahrungen der Autorin. Carolin Kebekus setzt sich mit der katholischen Kirche auseinander, dem Abtreibungsparagrafen, dem Gender Pay Gap und noch vielen anderen Themen. „Es kann nur eine geben“ ist ein feministischer Rundumschlag voller treffsicherer Beobachtungen und beißendem Sarkasmus. Manchmal war mir die Schlagzahl etwas zu hoch – Kebekus steigt immer gleich voll ins jeweilige Thema ein und feuert pausenlos Pointen und Appelle ab. Wenn man ihre Sendungen kennt, kann man ihre Plädoyers beim Lesen fast hören. In Buchform sind es sehr viele auf einmal, das hat mich stellenweise etwas erschlagen. Aber ich habe aus dem Buch auch viele Denkanstöße mitgenommen. „Es kann nur eine geben“ ist definitiv lesenswert und steigert die Vorfreude auf die nächste Staffel der Carolin Kebekus Show.

Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Seitenzahl: 352
Erscheinungsdatum: 7. Oktober 2021
ISBN: 978-3462001747
Preis: 18,00 € (E-Book: 14,99 €)

31. Januar 2022

Horst Evers: Wer alles weiß, hat keine Ahnung

Amüsant und abstrus – ein echter Evers.

Horst Evers letzte Anekdotensammlung hatte mir nicht ganz so gut gefallen wie ihre Vorgänger, doch sein neuestes Werk wollte ich als Fan trotzdem lesen. Und wurde nicht enttäuscht: „Wer alles weiß, hat keine Ahnung“ kommt wieder mehr an die ersten Bücher des Autors ran. Wie so oft erzählt Evers skurrile Alltagsgeschichten, die trotz ihrer Abstrusität irgendwie immer noch vorstellbar sind und mich dauerschmunzeln ließen. Sie spielen in Berlin, seiner norddeutschen Heimat Diepholz oder irgendwo unterwegs. Sie handeln von der Familie, Freunden und Zufallsbekanntschaften und sie haben meist eine überraschende Pointe. Evers ist einfach ein Lesevergnügen.


Als liebgewonnenes wiederkehrendes Element hält diesmal ein Baugerüst her. Sehr gut gefallen hat mir auch die in loser Reihenfolge erzählte Serie „Mein Leben in dreizehn Berufen“, wobei mir die einen Abend währende Kochkarriere des Autors als „linke Hand Gottes“ besonders in Erinnerung geblieben ist.

„Wer alles weiß, hat keine Ahnung“ wurde im Frühjahr 2021 veröffentlicht und so erstaunt es nicht, dass auch Corona Erwähnung findet – allerdings nicht immer wieder, sondern gesammelt auf 20 Seiten, die den schönen Titel „Hundert Tage im Quark – als die Welt coronastill stand“ tragen. Den Rückblick auf die ersten Pandemie-Monate hätte ich nicht unbedingt gebraucht, aber vielleicht hätte ohne dieses Zeitzeugnis auch etwas gefehlt. In jedem Fall kann ich Evers für amüsante Alltagsfluchten mal wieder empfehlen!

Verlag: Rowohlt Berlin
Seitenzahl: 240
Erscheinungsdatum: 26. Januar 2021
ISBN: 978-3737100991
Preis: 20,00 € (E-Book: 14,99 €)

5. Dezember 2021

Bülent Ceylan: Ankommen – Aber wo war ich eigentlich?

Sympathische Einblicke in Höhen und Tiefen.

Bülent Ceylan, der Monnemer Comedian mit den vermutlich schönsten Haaren der Szene, hat seine Biografie geschrieben. Hätte ich ihn nicht im Rahmen der ARD-Buchmessenacht daraus lesen hören, hätte ich ihr vermutlich keine größere Beachtung geschenkt, aber so war schon nach wenigen Sätzen klar: Er hat einiges zu erzählen und macht das auf eine sehr sympathische und authentische Art.


In „Ankommen – Aber wo war ich eigentlich?“ schildert Bülent Ceylan sein Leben – quasi vom Kennenlernen seiner Eltern bis heute. Wie es war, in den 1980ern als jüngster Spross einer sechsköpfigen deutsch-türkischen Patchworkfamilie in einer 68qm-Wohnung im Mannheimer Waldhof aufzuwachsen, von der Enttäuschung der väterlichen Verwandtschaft über seine mangelnden Türkischkenntnisse und dem Entschluss, sich in der Schule lieber „Billy“ zu nennen. Überhaupt, die Schule: Bülent war eher Streber als Klassenclown. Von Rückschlägen und Verletzungen erzählt er so ehrlich wie von der liebevollen und prägenden Beziehung zu seinen Eltern. Und dass seine ersten, vorsichtigen Karriereschritte keine Selbstläufer waren, Kaya Yanar die Rolle des „türkischen Comedian“ in den Augen von Veranstaltern komplett auszufüllen schien und er doch einige Zeit auf Kleinkunstbühnen in Mannheim und Umland verbrachte, bis der Durchbruch kam.

Insbesondere die Kapitel über Kindheit und Jugend fand ich toll erzählt, aber auch die Selbstfindung des jungen Erwachsenen ist authentisch und nachvollziehbar beschrieben. Und dann kam endlich der bundesweite Erfolg und mit ihm neue Themen: Bülents Tourfamilie, wie er seine Frau kennengelernt hat und auch kleine Einblicke in das Familienleben, das er aber verständlicherweise privat halten möchte.
Teilweise wird das Buch im letzten Drittel etwas sprunghaft und ist nicht mehr so stringent erzählt wie Bülents Aufwachsen. Spaß macht die Lektüre trotzdem und gibt auch noch ein paar Schlüsselloch-Einblicke in den Comedybetrieb. Der Eindruck, dass Bülent ein offener und liebenswerter Typ ist, bleibt – und wurde bei mir noch dadurch verstärkt, dass er nach seiner Lesung auf der Frankfurter Buchmesse seine Co-Autorin Astrid Herbold auf die Bühne holte, um ihr zu danken und sie „abzufeiern“. Ehre, wem Ehre gebührt – so scheint er seine Mitmenschen generell zu behandeln und trotz großem Erfolg die Bodenständigkeit nicht verloren zu haben. Und vermutlich wirkt Bülent Ceylan gerade dadurch so sympathisch; auf dem Papier wie bei seinen Auftritten.

Verlag: Fischer Taschenbuch
Seitenzahl: 256
Erscheinungsdatum: 8. September 2021
ISBN: 978-3596706600
Preis: 18,00 € (E-Book: 16,99 €)

16. Juni 2021

David Safier: Miss Merkel

Mit Puffel und Putin.

Angela Merkel geht in den Ruhestand – und was kommt dann? Die Frage nach der nächsten Kanzlerin oder dem nächsten Kanzler beschäftigt viele. David Safier fragt sich stattdessen, was die zukünftige Altkanzlerin mit der neugewonnenen Freiheit und Freizeit wohl anstellen wird. Seine Antwort: Sie geht unter die Hobby-Detektive! Und das, obwohl in ihrer fiktiven neuen Heimat, dem beschaulichen Klein-Freudenstadt, eigentlich absolut nichts los ist.


Safiers „Miss Merkel“ findet es gar nicht so einfach, plötzlich ein Rentnerleben zu führen. Ihre Anfangsschwierigkeiten kompensiert sie mit Kuchenbacken, was ungute Effekte auf den Waschbrettbauch ihres Personenschützers Mike hat. Ehemann Achim, liebevoll „Puffel“ genannt, freut sich auf die ruhige Zweisamkeit – oder Dreisamkeit: Das Ehepaar Merkel/Sauer hat sich nämlich einen Mops namens Putin zugelegt. Nun fehlen nur noch ein paar neue Freunde, um in Klein-Freudenstadt Fuß zu fassen. Ein Fest auf der nahegelegenen Burg scheint eine gute Gelegenheit, um Leute kennenzulernen – doch dann verstirbt der Gastgeber in seinem von innen verschlossenen Weinkeller. Für den örtlichen Kommissar ein klarer Fall von Selbstmord, aber Angela Merkel hat Zweifel. Obwohl weder Ehemann noch Bodyguard begeistert sind, beginnt sie, Nachforschungen anzustellen und stößt dabei auf mehrere Ungereimtheiten …

Der Krimi steht und fällt mit seiner Hauptfigur – das dürfte kaum überraschen. Die in die Gedanken dieser fiktiven Angela Merkel eingestreuten Anekdötchen zum Berliner Betrieb sind durchaus amüsant zu lesen; auch das Zusammenleben mit Puffel und Putin sowie die Begegnungen mit dem gemeinen Volk sind unterhaltsam. Das Cosy Crime dient eher als Kulisse; Spannung kommt nicht wirklich auf und mit Miss Marple hat Miss Merkel in etwa so viel gemein wie Klein-Freudenstadt mit dem Prenzlauer Berg. Wegen des Genres sollte man also nicht zu diesem Buch greifen, die originelle Grundidee macht allerdings Spaß. David Safier beweist wieder einmal, dass er ein Meister der witzig-abstrusen Gedankenexperimente ist. Das Ergebnis ist ein netter Schmöker und trotz aller Absurditäten irgendwie auch eine Hommage auf Angela Merkel.

Verlag: Kindler
Seitenzahl: 320
Erscheinungsdatum: 23. März 2021
ISBN:‎ 978-3463406657
Preis: 16,00 € (E-Book: 9,99 €)

10. Dezember 2020

Ho-Ho-Ho!

Unbeschwert ist die diesjährige Adventszeit leider nicht. Lachen hilft, und daher kommt hier ein Buchtipp mit gleich drei Humorbüchern, die mich in den letzten Wochen erheitert haben. Das erste habe ich mir aus gegebenem Anlass kurz vor der US-Wahl gekauft: „Gutenachtgeschichten für alle, die sich vor Populisten gruseln“. Stuart Heritages moderne Märchen sind komplett überzogen, bissig, schwarzhumorig; insgesamt also very British. Da ich mir nur ab und zu vor dem Einschlafen eins gönne, bin ich noch nicht einmal durch dieses schmale Büchlein durch, würde es aber schon allein wegen seines genialen Titels empfehlen. Alle Geschichten, die ich bislang gelesen haben, enden tatsächlich mit einem märchenhaften Happy End für die Guten; die bösen Populisten – alle aus der realen Welt bestens bekannt – bekommen dagegen eins auf den Deckel. Eine (satirische) Wohltat, wenn man mal wieder an der Wirklichkeit verzweifelt.


Eine Wohltat sind auch „Beste Bilder 11: Die Cartoons des Jahres“, die ich jedes Jahr aufs Neue liebe. Die 2020er Ausgabe ist natürlich stark von Corona geprägt: Cartoons auf fast 100 Seiten nehmen Bezug auf die Pandemie und das aus so verschiedenen Blickwinkeln, dass Langeweile weit entfernt ist. Wer comic relief benötigt, kommt hier auf seine Kosten, aber natürlich gab es selbst 2020 auch noch andere Themen, die ebenfalls aufgegriffen werden. Bei der bunten Mischung von 80 Künstlern ist garantiert für jeden Humortypen etwas dabei.

Und dann habe ich mir noch das neue Büchlein meiner momentanen Lieblingskarikaturisten geleistet: „Cartoons“ von Hauck und Bauer. Im Caricatura Museum Frankfurt gibt es gerade eine Sonderausstellung zu den beiden, die aber momentan aus bekannten Gründen geschlossen ist. Dieses edle, rote Leinenbändchen steigert die Vorfreude ungemein. Die Cartoons haben einen so feinen, hintergründigen Humor, dass ich sie sicher immer wieder zur Hand nehmen werde.

Wenn Euch also jemand einfällt, der Aufheiterung gebrauchen könnte (bzw.: Wer könnte das dieser Tage nicht?) – das sind meine Empfehlungen. Hier noch die bibliographischen Angaben:

Stuart Heritage: Gutenachtgeschichten für alle, die sich vor Populisten gruseln
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Seitenzahl: 176
Erscheinungsdatum: 20. August 2020
ISBN: 978-3462054712
Preis: 15,00 € (E-Book: 12,99 €)

Beste Bilder 11: Die Cartoons des Jahres
(Hrsg. v. Wolfgang Kleinert, Dieter Schwalm, Antje Haubner)
Verlag: Lappan
Seitenzahl: 176
Erscheinungsdatum: 29. Oktober 2020
ISBN:  978-3830335597
Preis: 12,00 € (gibt's nicht als E-Book)

Hauck & Bauer: Cartoons
Verlag: Antje Kunstmann
Seitenzahl: 280
Erscheinungsdatum: 10. Juli 2020
ISBN:  978-3956143991
Preis: 18,00 € (gibt's nicht als E-Book)

Auf dass die diesjährige Weihnachtszeit trotz allem froh und lustig werde!

1. November 2020

Bastian Bielendorfer: Die große Pause

Themenbedingt etwas lahm.

Bastian Bielendorfers Karriere begann vor 10 Jahren bei Günther Jauchs „Wer wird Millionär“. Bielendorfer plauderte so unterhaltsam über sein Leben als Lehrerkind, dass ihm der Piper Verlag danach einen Buchvertrag anbot. Inzwischen ist Bielendorfer erfolgreicher Comedian und hat bereits vier Titel über sein Lehrerkinddasein veröffentlicht – und jetzt als neuestes Werk eines über sein Leben während der ersten Monate der Corona-Pandemie; das erste seiner Bücher, das ich gelesen habe.


„Die große Pause“ ist das mit kleinen Kritzeleien originell gestaltete „Corona-Tagebuch“ des Comedians. Es beginnt im März, Bielendorfer tritt noch in Dieter Nuhrs Kabarettsendung auf, sagt sein wenige Tage später stattfindendes Gastspiel in der Hauptstadt dann allerdings aufgrund der unüberschaubaren Lage bereits ab. Die nächsten Wochen verbringt der Wahlkölner mit Frau, Schwiegermutter und Mops vor allem in den eigenen vier Wänden und schildert in seinem Buch Anekdoten aus dieser Zeit. Bielendorfer wirkt dabei sympathisch und warmherzig, die Episoden sind unterhaltsam. Allerdings auch etwas langweilig. Aber wen wundert das? Aufregend und abwechslungsreich war dieses Frühjahr für viele nicht. Und so schreibt Bielendorfer von Home Office, Video-Telefonaten, Einkäufen (mit leichten Hamster-Tendenzen) und Spaziergängen, gewürzt mit ein paar Geschichten aus dem familiären Nähkästchen und kleinen zwischenmenschlichen Reibereien. Nur das Treffen mit einer Unbekannten im Park, die dann noch auf die Lage in den Pflegeheimen zu sprechen kommt, wirkte auf mich überkonstruiert.

Spannung kommt leider keine auf. Angesichts der beschriebenen Situation kann man Bielendorfer das kaum zum Vorwurf machen, aber ein Pageturner ist „Die große Pause“ wirklich nicht. Dass der Künstler seine Bühnen-Zwangspause zum Schreiben genutzt hat, ist verständlich. Dass er ein Händchen für amüsante Beobachtungen hat, unbestritten. Zudem ist es sicher schwierig, ein Buch zu einem Thema zu schreiben, das noch nicht ausgestanden ist – noch dazu ein Tagebuch, das Einblicke in einen eingeschränkten Alltag zeigen, aber sicher auch nicht alles Persönliche enthüllen soll. Und so liest sich „Die große Pause“ alles in allem etwas lahm. Ich hätte mir zumindest noch ein paar Reflektionen zur pandemiegebeutelten Veranstaltungsbranche gewünscht, ein paar Ideen für die Zukunft, irgendein Thema mit Biss, bei dem Bielendorfer sich klar positioniert.
Und so vergebe ich nur drei Sterne für „Die große Pause“ plus – gedanklich – viele Sympathiepunkte an den Autor, den man nach seinem sehr persönlichen Epilog am liebsten in den Arm nehmen würde.

Verlag: Gräfe und Unzer
Seitenzahl: 240
Erscheinungsdatum: 7. Oktober 2020
ISBN: 978-3833877544
Preis: 16,99 € (E-Book: 13,99 €)

Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar erhalten.

25. August 2020

Sebastian Lehmann: „Mit deinem Bruder hatten wir ja Glück“

Woanders ist es auch nicht anders.

Ich bin ein großer Fan öffentlicher Bücherschränke, wobei mein heimischer SUB (= Stapel ungelesener Bücher) meist so hoch ist, dass ich mir die Mitnahme neuen Lesestoffes zu verkneifen versuche. Manchmal kann ich aber nicht widerstehen – und entdecke Bücher, auf die ich von alleine vielleicht nie gekommen wäre. Von diesem Autor hatte ich zum Beispiel noch gar nichts gehört.

 
Sebastian Lehmanns Kolumnensammlung „Mit deinem Bruder hatten wir ja Glück“ handelt von vielen kurzen Elterntelefonaten, wie sie sich überall in Deutschland abspielen könnten: Das erwachsene Kind in der fernen Großstadt wird von seinen Eltern angerufen und schon prallen die unterschiedlichen Lebenswelten aufeinander, brechen Generationenkonflikte auf oder es wird einfach mal wieder über Lieblingsthemen debattiert. In Sebastians Fall z.B. über seine Erfolglosigkeit als Comedian, seinen Vegetarismus, die fehlenden Enkelkinder und besagten Bruder. Doch auch, wenn Eltern und Sohn nicht müde werden, sich über mangelnde Ähnlichkeiten zu wundern: In Sachen Schlagfertigkeit schenken sie sich nichts. Ist doch schön, wenn man sich nach all den Jahren noch gegenseitig überraschen kann!

Ich habe mich beim Lesen sehr amüsiert. Die kurzen, pointierten Telefon-Häppchen eignen sich prima als Zwischendurch-Lektüre, und je mehr Geschichten man liest, desto mehr Evergreens lassen sich in der Eltern-Sohn-Beziehung ausmachen. Und mal ehrlich: So überspitzt das Ganze auch ist, wird doch vielen Thirtysomethings die ein oder andere Elterntelefonate-Passage leicht bekannt vorkommen – ob es nun um IT-Probleme, das Wetter oder die Weihnachtsplanung geht. Oder um den siebten Sinn, mit den einen die eigenen Eltern doch manchmal ganz unverhofft in Erstaunen versetzen. Mir hat das Buch gute Laune gemacht – genau wie die Entdeckung, dass sich viele der Telefonate auch als Podcast nachhören lassen: https://www.sebastianlehmann.net/podcast

Verlag: Goldmann
Seitenzahl: 240
Erscheinungsdatum: 15. Oktober 2018
ISBN: 978-3442159628
Preis: 9,00 € (E-Book: 8,99 €)

29. Juni 2020

Karsten Dusse: Das Kind in mir will achtsam morden

Achtsamkeit meets Mafioso – Vol. 2.

Die Danksagung beschreibt dieses Buch als „Geschwisterkind. Es hat bei gleichem Genpool wie Achtsam morden seinen eigenen Charakter“. Und damit liefert der Autor gleich selbst zwei gute Gründe, diesen Roman zu lesen, denn „Achtsam morden“ war super – fand ich jedenfalls. Die Fortsetzung schafft es, nah am Erstling zu bleiben und dennoch kein Abklatsch zu sein.


Und das fasst schon ziemlich gut zusammen, warum ich mich bei „Das Kind in mir will achtsam morden“ bestens amüsiert habe. Karsten Dusse bringt Achtsamkeit und organisiertes Verbrechen erneut auf höchst unterhaltsame Weise zusammen. Zwar hat Hauptfigur Björn Diemel die Lektionen seines Achtsamkeitscoaches bereits in „Achtsam morden“ vollkommen verinnerlicht, muss jetzt allerdings feststellen, dass jemand sein neues, entspanntes, wertschätzendes Ich sabotiert: er selbst! Beziehungsweise: sein inneres Kind, das offensichtlich Heimat finden muss, was Coach Breitner natürlich in anderen Worten formuliert. Er empfiehlt Diemel eine Partnerschaftswoche mit seinem inneren Kind, um dessen Bedürfnisse verstehen zu lernen. Diese Woche hat es allerdings in sich: neben Emily, Diemels äußerem Kind, Katharina, seiner dauerverstimmten Noch-Frau und den Interims-Leitungen zweier Mafiaclans hat der Strafverteidiger zwar keine Leiche, aber dafür einen Russen im Keller. Und als der plötzlich weg ist, fangen die Probleme erst richtig an …

Was Dusse ganz wunderbar kann: Dinge auf die Spitze treiben – und darüber hinaus. Man denkt noch „er wird jetzt doch nicht …“ und dann passiert nicht nur das, sondern noch viel mehr. Dusse – und mit ihm seine Hauptfigur Björn Diemel – sind auf eine wunderbare Art und Weise komplett schmerzfrei. Das schafft immer wieder Überraschungseffekte, die irgendwo sicher absurd sind, sich aber gleichzeitig einfach wahnsinnig stimmig in die Geschichte einfügen. Diese entwickelt sich wie schon in „Achtsam morden“ mehr als kurzweilig. Dusse ist außerdem ein Meister im Aufnehmen loser Fäden und so bleiben am Ende nur wenige Fragen ungeklärt – aber genug, um mir Hoffnung zu geben, dass auch „Das Kind in mir will achtsam morden“ noch ein kleines Geschwisterchen bekommen könnte.

Verlag: Heyne
Seitenzahl: 480
Erscheinungsdatum: 11. Mai 2020
ISBN: 978-3453424449
Preis: 10,99 € (E-Book: 9,99 €)

19. September 2019

Karen Duve: Fräulein Nettes kurzer Sommer

Diese Autorin kannte ich bereits – von ihren Romanen „Taxi“, „Dies ist kein Liebeslied“ und „Die entführte Prinzessin“. Einen historischen Roman über Annette von Droste-Hülshoff hätte ich von ihr allerdings nicht unbedingt erwartet. Historische Romane lese ich generell eher selten und wenn sie dann auch noch 592 Seiten haben, überlege ich mir dreimal, ob ich zugreife. Habe ich hier aber, weil ich mir relativ sicher war, dass diese Autorin etwas Besonderes aus ihrem Thema machen würde. Und ich wurde nicht enttäuscht.


Karen Duve schildert in „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ die Jugendjahre der Annette von Droste-Hülshoff. Sie ist Anfang 20, wohnt – wie im 19. Jahrhundert für unverheiratete adelige Damen üblich – bei ihren Eltern, schreibt Gedichte und besucht häufig die weitläufige Verwandtschaft. Die standesüblichen Beschäftigungen junger Damen – sticken, stricken, Gartenpflege – interessieren sie wenig, nur zum Musizieren lässt sie sich hin und wieder hinreißen und hat da anscheinend ein gewisses Talent, wenn auch ihre laute, grelle Stimme als nicht besonders ladylike empfunden wird.

Aber so richtig ladylike ist Fräulein Nette eh nicht bzw. scheint sie den ihr zugedachten Platz in der Gesellschaft immer wieder zu vergessen. Nette will schreiben, dichten, sich mit anderen Autoren messen und mit Literaturkennern fachsimpeln. Doch leider ist das alles mehr oder weniger unweiblich. Von ihren zum Teil Germanistik studierenden Onkeln als Mädchen noch gelobt und belächelt, wird sie immer stärker in die Schranken gewiesen, je erwachsener sie wird und je mehr ihr Talent zum Vorschein kommt. Doch dann, während eines magischen Sommers, trifft Nette auf einen sogenannten „Herzensfreund“, einen Seelenverwandten, der ihre (sämtlich noch unveröffentlichten) Werke rühmt und sie ernster nimmt, als sie es je erlebt hat. Und er bleibt nicht der einzige, den die sonst kränkelnde, stark kurzsichtige und oft etwas überspannte Droste-Hülshoff in ihren Bann zieht. Die Verwandtschaft ist entgeistert.

Karen Duve betreibt in „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ Namedropping der besten Sorte. Annettes Radius ist nicht riesig, der ihres zeitweise in Göttingen studierenden Onkels August jedoch umso größer. Er verkehrt mit den Grimms (den Gebrüdern sowie ihren Geschwistern), Hoffmann von Fallersleben, später findet sich sogar noch Heine an der Göttinger Universität ein. Man verehrt das Altdeutsche, streitet, ob Goethe oder Schiller besser schreibt und fordert sich gegenseitig auch schon mal zum Duell. Duve lässt alle Literaten sehr lebendig werden. Man sitzt mit ihnen in heruntergekommenen Studentenkammern, bleibt mit ihnen in der Kutsche stecken und leistet ihnen auch bei ihren endlosen Dialogen in der Kneipe Gesellschaft. Generell macht die Autorin ihre Figuren nahbar; streut immer wieder Humor und Situationskomik ein und zeigt, dass es auch schon vor 200 Jahren menschelte. Neid, Intrigen und heimliche Liebschaften – alles da. Und so blieb ich am Ball, während Teile der literarischen Szene des frühen 19. Jahrhunderts ausgiebig beleuchtet wurden, auch wenn ich mich manchmal fragte, ob man das Ganze nicht doch etwas verkürzen hätte können.
Wer Lust hat, eine der größten deutschen Dichterinnen des 19. Jahrhunderts mal „privat“ zu erleben, bekommt hier die Gelegenheit. Die Droste wird nicht nur als verkanntes Genie geschildert, sondern kann auch lachen, lästern und sich anstellen. Und so ist „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ eine augenzwinkernde Hommage an ihre Hauptfigur.

Verlag: Galiani Berlin
Seitenzahl: 592
Erscheinungsdatum: 7. September 2018
ISBN: 978-3869711386
Preis: 25,00 € (E-Book: 22,99 €)

31. März 2019

Susanne Hasenstab: Irgendwo zwischen Liebe und Musterhaus

Der Titel dieses Romans lässt auf einen beliebigen Frauenroman schließen, die Farbgebung des Covers ist nicht mein Fall. Aber der Klappentext klang so, dass ich dachte, das Buch könnte trotzdem ganz amüsant werden, auch wenn es vermutlich etwas 08/15 sein würde. Großer Irrtum!


Also nicht, dass „Irgendwo zwischen Liebe und Musterhaus“ amüsant ist – das ist kein Irrtum, ich habe mich bestens amüsiert. Aber das Buch ist bei Weitem kein Frauenroman von der Stange, eher das Gegenteil, es liest sich sehr erfrischend. Die Autorin Susanne Hasenstab erfasst Menschen und ihre Schwächen und Verhaltensweisen ganz genau und proträtiert gnadenlos Typen, die man aus dem Alltag kennt. Das ist sehr witzig, manchmal auch böse, doch weil Hasenstabs Ich-Erzählerin Katja genügend eigene Probleme hat, bleibt sie trotzdem sympathisch. Katja ist zwar mit einem scharfen, sezierenden Blick auf ihre Umgebung ausgestattet, erhebt sich aber dabei nicht über andere. Die 31-jährige dümpelt als Teilzeitangestellte der Gratis-Zeitung ihres Heimatortes durchs Leben und weiß eigentlich nicht, was sie will. Im Gegensatz zu ihrem Umfeld: Langzeitfreund Jonas will ein Eigenheim und Familie, der Bürokollege Herr Böhmann jeden Mittag woanders essen gehen, Katjas Mutter will Enkel, Freundin Inga sucht nach irgendeiner Art von Erleuchtung und Borke, Lebensgefährte von letzterer, bereist zielstrebig „die Welt des Hochprozentigen“. Katja scheint die einzige zu sein, die keinen wirklichen Plan hat. Zwar ist ihr im Grunde ihres Herzens bewusst, was sie nicht will, aber: „Was bleibt, wenn ich die Optionen Haus, Heirat, Kinder und Karriere allesamt ausschlage?“ Zwischen Besichtigungsterminen, einer aus dem Ruder laufenden Geburtstagsfeier und zwei wirren Kleinkunstabenden bleibt allerdings kaum Zeit, dieser Frage nachzugehen. Doch manchmal schließen sich ja bekanntlich auch Türen, während sich andere dafür öffnen.
Susanne Hasenstab hat ein echtes Händchen für die Ausgestaltung absurder Situationen, in die jeder rutschen könnte. Ich hatte ganz unverhofft großen Spaß beim Lesen und werde mir den Namen dieser Autorin ganz sicher merken.

Verlag: Limes Verlag
Seitenzahl: 416
Erscheinungsdatum: 25. März 2019
ISBN: 978-3809027010
Preis: 20,00 € (E-Book: 13,99 €)

Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar erhalten.

23. Januar 2019

Thorsten Steffens: Klugscheißer Royale

Im Alltag können Klugscheißer sehr nerven, als Romanfiguren allerdings ziemlich lustig sein. Diese hier ist mir tatsächlich nach und nach ans Herz gewachsen. Und nicht nur das: Ich gestehe an dieser Stelle, dass ich trotz Germanistik im Nebenfach den semantischen Unterschied zwischen den Pluralformen „Wörter“ und „Worte“ nicht aus dem Stehgreif hätte definieren können und so sogar eventuell zu den im Buch definierten „Wör│ter-│Wor│te-│Ver│wechs│ler[n]“ gehörte. Nach der ausführlichen Erklärung des klugscheißenden Protagonisten wird mir das sicher nie mehr passieren – also auch noch was gelernt!


Ein „Klugscheißer Royale“ – das ist der Endzwanziger Timo Seidel, die Hauptfigur des nach ihm benannten Romans. Einen echten Klugscheißer zeichnet u.a. ein gesundes Selbstbewusstsein aus, welches bei Timo sogar die Mailadresse ausstrahlt, die mit „supertimo“ beginnt. Außerdem fühlt sich ein Klugscheißer seinen Mitmenschen grundsätzlich überlegen. Zu Beginn des Romans lebt Timo dieses Gefühl von nine to five beim ProTrend-Kundenservice aus, wo er als Callcenter-Mitarbeiter Reklamationen entgegennimmt – seit mehreren Jahren. Da dieser Job ihn weder ausfüllt noch fordert, beschäftigt er sich nebenbei noch als „Oswald Kolle der deutschen Sprache“ und versucht mehr oder weniger dezent, das Sprachniveau seiner Anrufer zu heben, in dem er ihre Grammatikfehler korrigiert. Dumm nur, wenn der Chef mithört, während man einen Kunden im Eifer des Gefechts als „Bezirkstrottel“ bezeichnet. Dumm auch, wenn man nach der Kündigung nach Hause fährt und feststellen muss, dass die langjährige Freundin, die einen zudem bisher mitfinanziert, gerade Kisten packt und ausziehen will.

Und das ist auch schon der Beginn dieses amüsanten Debütromans von Thorsten Steffens: Timo Seidel bekommt nach Jahren des bequemen Klugscheißens plötzlich richtig Gegenwind. Sein Leben fällt in sich zusammen und bald zeigt sich, dass sich weder der Arbeitsmarkt noch sein Kontostand vom Klugscheißen beeindrucken lassen. Aber Timo lässt sich nicht unterkriegen und ihn dabei zu begleiten, wie er versucht, dem Leben die Stirn zu bieten, macht Spaß – genau wie seine Wortschöpfungen, die er als Ich-Erzähler seinen Lesern in mundgerecht eingestreuten Wörterbuch-Artikeln darbietet: Von Brülltante bis Teilzeitgrübler.

Für mich fällt dieser Roman in die Kategorie „Das Leben eben“: Timo wird aus seiner Komfortzone hinausgeschleudert und versucht mal mehr, mal weniger erfolgreich, sein Leben wieder in den Griff zu kriegen, während der Leser ihn dabei begleitet und nach und nach Eigenschaften des Protagonisten entdeckt, die dieser selbst noch nicht kannte. Manchmal plätschert „Klugscheißer Royale“ etwas vor sich hin, ein oder zwei Nebenschauplatz hätte ich nicht unbedingt gebraucht. Aber langweilig wird „Klugscheißer Royale“ nie: Etwas „Fack ju Göthe“, etwas Coming-of-Age und tatsächlich auch noch ein paar Gedanken zum Thema Feminismus – der Roman wagt sich ab und an in Bereiche vor, die ich ihm gar nicht zugetraut hätte. Lustig ist er ab Seite eins, aber stellenweise kommt auch noch etwas Tiefgang hinzu. Und am Ende hat man den „Klugscheißer Royale“ tatsächlich liebgewonnen.

Verlag: Piper
Seitenzahl: 232
Erscheinungsdatum: 1. August 2018
ISBN: 978-3492501651
Preis: 12,99 € (E-Book: 6,99 €)

Ich habe dieses E-Book als Rezensionsexemplar vom Piper Verlag erhalten.

29. Oktober 2018

Mhairi McFarlane: Sowas kann auch nur mir passieren

Meine Chick-Lit-Phase (Wikipedia übersetzt den Begriff mit "Mädels-Literatur") habe ich weitestegehend in meinen 20ern hinter mir gelassen. Manchmal mache ich jedoch Ausnahmen, wenn ich auf eine gehörige Portion nicht zu flachen Humors hoffen kann, trotz des garantierten Happy Ends interessante Wendungen vorausahne und die Liebesgeschichte nicht zu flach und 08/15-mäßig erscheint. Ein Garant für außergewöhnlich unterhaltsame Chick-Lit ist die Engländerin Mhairi McFarlane, von der ich alle bisherigen Romane gelesen habe. Es war also klar, dass ich mir auch ihr neuestes Werk nicht entgehen lassen würde:


„Sowas kann auch nur mir passieren“ steht in Tradition seiner vier Vorgänger. Der Roman enthält die typischen Elemente, die in allen Büchern der Autorin vorkommen: Humor, emotionalen Tiefgang, das Reifen einer Persönlichkeit nicht zuletzt durch die Hilfe ihrer großartigen Freunde und eine Liebesgeschichte, die mit gewissen Irrungen und Wirrungen verbunden ist. Wobei mir gerade diese etwas zu kurz kam und mir dafür das Ende einen Tick zu rosarot war. Ansonsten wäre das Lied zum Buch allerdings Travis‘ „Why does it always rain on me?”. Hauptfigur Georgina schlittert in weiten Teilen des Romans von einer verkorksten/peinlichen/deprimierenden Situation in die nächste. Die 30-jährige Kellnerin, die eigentlich gerne Schriftstellerin werden würde, wird gleich zu Beginn des Romans als Bauernopfer gefeuert, erwischt ihren Freund mit einer anderen und als sie einen neuen Job in einem Pub ergattert, muss sie feststellen, dass einer der Manager ihre erste große Liebe war, sich jetzt jedoch nicht mal mehr an sie erinnert. McFarlanes Humor wirkt wie immer entschärfend, ihr Wortwitz macht das Ganze amüsant, aber dennoch hat die Protagonistin so viel Pech, dass es mir manchmal doch schwerfiel, weiterzulesen, weil sie mir so leidtat. Passenderweise ist über jedem Kapitel eine Regenwolke abgebildet.

Während dieser Pechvogel von Hauptfigur überaus sympathisch ist, ist ihr Gegenspieler, ihr Ex-Freund Robin, ein totaler Fiesling. Auch in McFarlanes übrigen Büchern spielen verkorkste frühere Beziehungen immer eine Rolle, doch kamen sie mir sonst nicht ganz so schwarzweiß gezeichnet vor. Noch mehr gestört hat mich jedoch die Tatsache, dass im Klappentext von „Sowas kann auch nur mir passieren“ ein den besagten Ex-Freund betreffendes Detail verraten wird, das im Buch aber erst gegen Ende des Romans herauskommt (in der E-Book-Ausgabe nach über 80%). Diesen Spoiler hätte es nicht gebraucht, lieber Knaur Verlag.
Alles in allem habe ich mich gut amüsiert und werde sicher auch beim nächsten Buch der Autorin wieder zugreifen (allerdings in der Hoffnung, dass es in Ton und Originalität stärker an ihre früheren Erfolge anknüpft). Allen, die Mhairi McFarlane noch nicht kennen, sei jedoch einer ihrer anderen vier Romane ans Herz gelegt – die waren in meinen Augen noch eine Prise humorvoller, inhaltlich runder und irgendwie ausgewogener.

Verlag: Knaur Taschenbuch
Seitenzahl: 464
Erscheinungsdatum: 2. November 2018 (E-Book: 29. Oktober 2018)
ISBN: 978-3426520765
Preis: 10,99 € (E-Book: 9,99 €)

26. Juli 2018

Christopher Wilson: Guten Morgen, Genosse Elefant

Nachdem insbesondere der letzte Roman, den ich gelesen hatte, schwere Kost war, hatte ich das Bedürfnis, mich als nächstes in etwas Leichteres zu vertiefen. Auf den zweiten Blick wäre das nachfolgende Buch vermutlich ungeeignet gewesen - handelt es doch bei genauerer Betrachtung vom blutigen Ende der stalinistischen Ära. Auf den ersten Blick erkennt man jedoch bereits am Cover, dass es (auch) in die Kategorie Humor fällt und die salopp-lustige Sprache verführte mich sofort zum Weiterlesen.


So nah wie in „Guten Morgen, Genosse Elefant“ kommt man Ich-Erzählern selten, dieser hier spricht einen sogar immer wieder an. Im Jahr der Romanhandlung, 1953, ist Juri Zipit zwölfeinhalb Jahre alt. Er ist ein äußerst ungewöhnlicher Zwölfjähriger, was nicht zuletzt daran liegt, dass er mit sechs Jahren von einem Milchwagen angefahren wurde und vor eine Straßenbahn fiel, die ihn dann noch überfuhr. Sein Gehirn hat dabei leichten Schaden genommen, unter anderem leidet der Protagonist an mit Furchtlosigkeit gepaarter Impulsivität und sagt eigentlich immer, was ihm gerade in den Sinn kommt – nicht die beste Überlebensstrategie im Russland der 1950er Jahre. Beim Unfall keinen Schaden genommen hat hingegen Juris Gesicht, dass anscheinend reine Herzenswärme ausstrahlt und andere Menschen dazu bringt, Juri ihre Geheimnisse anzuvertrauen – worauf dieser allerdings gut verzichten könnte.
Unser ungewöhnlicher Romanheld lebt im Moskauer Zoo, da sein Vater dort der Chefveterinär ist. Und als solcher wird der Tierarzt eines nachts zu Genossen Elefant gerufen – womit allerdings kein Dickhäuter im Zoo gemeint ist. Sein neuer Patient, den einer seiner Minister als elefantenähnlich, nämlich „überaus mächtig, sehr weise und auch sehr freundlich, falls er nicht gerade sehr wütend wird“ beschreibt, entpuppt sich als Stalin höchstpersönlich. Der Diktator hat gerade einen leichten Schlaganfall hinter sich, will davon aber nichts hören. Juris Vater fällt durch seine Diagnose sogleich in Ungnade – aber Juri, mit seinem Engelsgesicht, wird als neuester Vorkoster des „Gärtners des menschlichen Glücks“ auserwählt. Der sogenannte Stählerne leidet nämlich unter der Angst, vergiftet zu werden – und diese ist nicht unberechtigt, hoffen doch eine Menge Menschen auf das Ableben des „Architekten der Freude“ …

Was ist „Guten Morgen, Genosse Elefant“ nun für ein Buch? Komödie, Satire? Ein historischer Roman? Ein Schlüsselroman? Von allem etwas, würde ich sagen. Juri versichert seinen Lesern: „Das was ich erzähle, ist alles wahr. Absolut, komplett, total wahr. Fast. Bis auf die paar Kleinigkeiten, die ich ändere. Ändern muss. Aber nur, was Zeiten angeht. Orte, Namen und Ereignisse.“
Unser Erzähler nimmt sich also die größte schriftstellerische Freiheit überhaupt heraus – und doch reicht es, sich auf Wikipedia das Kapitel zu Stalins letzten Wochen durchzulesen um große Parallelen zu erkennen, Namen zu entschlüsseln etc.

Worin Autor Christopher Wilson allerdings das größte Geschick beweist, ist die Darstellung des Schrecklichen durch die Augen eines Kindes, dem Angst und Verzweiflung krankheitsbedingt fremd sind. Er lässt seinen Juri dessen Beobachtungen auf solch eine kurios-komische Art und Weise schildern, dass sich selbst das Furchtbarste erträglich lesen lässt. Und trotzdem bleibt klar, dass es das Furchtbarste ist, dass Juri in seiner Sonderstellung nur der Hofnarr ist, der das für jeden anderen Unerträgliche erträglich darstellt. Und so liest sich der Roman locker-flockig, ohne eine seichte Lektüre zu sein. Je mehr man über die stalinistische Ära weiß, desto mehr kann man dabei vermutlich rauslesen. „Guten Morgen, Genosse Elefant“ hat eine größere Tiefe, als der erste Blick enthüllt. Der enthaltene Humor ist quasi der Zucker im Kuchen, er macht die Bitternis des Ganzen durchgängig bittersüß.

Gerne hätte ich noch herausgefunden, wie Christopher Wilson auf die Idee kam, dieses Buch zu schreiben. Er scheint Engländer zu sein, hat die Psychologie des Humors ergründet und kreatives Schreiben unterrichtet. Vielleicht wollte er mit seinem Roman demonstrieren, wie Humor alles erträglicher gestalten kann. In jedem Fall hat er mit Juri einen Helden geschaffen, den seine Leser sofort ins Herz schließen und so schnell nicht wieder vergessen werden.

Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Seitenzahl: 272
Erscheinungsdatum: 16. August 2018
ISBN: 978-3462050769
Preis: 19,00 € (E-Book: 16,99 €)

6. Juni 2018

Marie Reiners: Frauen, die Bärbel heißen

In meiner letzten Rezension habe ich das Cover des besprochenen Buches sehr hervorgehoben. Dieses dagegen wäre mir in einer Buchhandlung eventuell nicht weiter aufgefallen bzw. hätte mich nicht unbedingt nach dem Roman greifen lassen - zwei sich unterhaltende Raben vor dem Fernseher? Nachdem ich inzwischen so manches über Hauptfigur Bärbel erfahren habe, empfinde ich es allerdings durchaus als passend. Und glaube nicht, dass sich die Raben wirklich noch unterhalten können ...


„Frauen, die Bärbel heißen“ – mit denen hat Drehbuchautorin Marie Reiners schon Erfahrung, ist sie doch Schöpferin der großartigen Krimiserie „Mord mit Aussicht“, in der es ebenfalls eine Bärbel gibt. Diese hat allerdings wenig Ähnlichkeiten mit der Hauptfigur in Reiners erstem Roman: Die 54-jährige Bärbel Böttcher ist eine arbeitslose Tierpräparatorin, die mit ihrer Hündin Frieda sehr zurückgezogen lebt und damit durchaus zufrieden ist. Als sie beim Gassigehen eine Leiche findet, wird ihr Leben jedoch gehörig durcheinandergewirbelt – die Polizei befragt sie, ein Reporter lauert ihr auf und schließlich steht auch noch die Ehefrau des Opfers vor ihrer Tür und greift zu ziemlich rabiaten Methoden, als Bärbel sie abzuwimmeln versucht. Dabei möchte Bärbel doch einfach nur Tartar essen und Shoppingsendungen gucken. Doch wie heißt es schon bei Schiller: Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Wobei Bärbels Nachbar nicht das Problem ist – auch wenn er sie im weiteren Verlauf des Buches als „sonderbar“, „psychisch gestört“ und „unheimlich“ beschreibt. Und Eigenbrötlerin Bärbel ganz und gar nicht zu den Frömmsten gezählt werden kann, aber immerhin nach dem Motto „leben und leben lassen“ zu handeln versucht – vor allem aus Eigeninteresse, sie will schließlich einfach nur ihre Ruhe.

Als Dermoplastikern hat Hauptfigur Bärbel – wie auch ihre Hündin Frieda – keine Scheu vor Körperflüssigkeiten jeglicher Art und ist auch wenig zimperlich. Die Ich-Erzählerin hat mich immer wieder überrascht – positiv, den kompletten Roman hindurch jagt ein unvorhersehbares Ereignis das nächste, und zwar auf herrlich schräge Art und Weise. „Frauen, die Bärbel heißen“ ist ein bisschen Krimi, ein bisschen Charakterstudie und vor allem skurril. Trotzdem ist es Reiners gelungen, ihre Romanhandlung irgendwie gar nicht so abwegig erscheinen zu lassen. Ein paar schöne Seitenhiebe gegen das öffentlich-rechtliche Fernsehen, mit dem die Autorin langjährige Erfahrungen hat, gibt’s obendrauf. Ich habe mich bei der Lektüre fortlaufend amüsiert und Bärbel am Ende nur ungern ziehen lassen. Allerdings hoffe ich auf eine Fortsetzung, denn die Geschichte scheint mir noch lange nicht auserzählt – eigentlich fängt sie gerade erst so richtig an. „Frauen, die Bärbel heißen“ sind offensichtlich immer für Überraschungen gut!

Verlag: FISCHER Scherz
Seitenzahl: 368
Erscheinungsdatum: 8. März 2018
ISBN: 978-3651025233
Preis: 16,99 € (E-Book: 14,99 €)

30. April 2018

Trevor Noah: Born a crime

Diese autobiographischen Geschichten haben meinen Südafrika-Urlaub sehr bereichert und mir Einblicke in das Land gegeben, die mir sonst weder in Kapstadt, Johannesburg noch auf der Garden Route vermittelt wurden. Sie wurden nicht im eigentlichen "Romanregal" fotografiert, weil ich sie gar nicht mehr nach Hause mitgenommen, sondern gleich nach der Lektüre weiter verliehen habe. Manchmal muss man Prioritäten setzen!


Der deutsche Titel dieses grandiosen Buches ist „Farbenblind“. Warum, hat sich mir nicht erschlossen, denn die Gesellschaft, in die der Südafrikaner Trevor Noah 1984 hineingeboren wird, ist nicht „farbenblind“, sondern zutiefst farbenfixiert, was er von klein auf zu spüren bekommt. Trevor Noahs Hautfarbe belegt ab dem Tag seiner Geburt, dass gegen „Immorality Act No. 5“ der Apartheidsgesetze verstoßen wurde: Er ist farbig – obwohl er eine schwarze Mutter hat. Was nur bedeuten kann, dass sein Vater weiß ist, und dass er und Trevors Mutter den genannten Paragraphen missachtet haben, der Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben sexuelle Beziehungen untersagt und Verstöße mit bis zu fünf Jahren Gefängnis ahndet. Vor diesem Hintergrund erklärt sich der Titel der englischen Ausgabe auf einen Blick: „Born a crime“. Was für ein Start ins Leben – ein Leben, in dem der weiße Vater in der Öffentlichkeit panisch die Flucht vor seinem „Daddy“ rufenden Kleinkind ergreift, die Mutter zum Spaziergang im Park gerne eine farbige Freundin mitnimmt und die schwarze Großmutter den Enkel in ihrer Hütte versteckt hält, wenn er sie in Soweto besucht. Trevor Noah ist mit einer besonderen Sensibilität in Bezug auf Hautfarben aufgewachsen – gezwungenermaßen. Er konnte sich die hier gemeinte „Farbenblindheit“ nicht leisten.

In seinen autobiographischen Rückblicken lässt er den Leser an seiner Kindheit und Jugend in Johannesburg teilhaben. Mit fantastischer Leichtigkeit schildert Noah, was es für ihn als farbiges Kind bedeutet hat, im Apartheids- und Postapartheids-gebeutelten Südafrika aufzuwachsen. Bereits auf den ersten Seiten schafft er es mühelos, auch seine ausländischen Leser in diese zutiefst rassistische Welt mitzunehmen und ihren Horizont zu erweitern.
Ich habe Trevor Noahs „Born a crime“ als Geschenk empfunden. Der Autor ist nur zwei Jahre jünger als ich. Er ist unter Bedingungen aufgewachsen, die mir kaum fremder sein könnten und schafft es trotzdem, seine damaligen Lebensumstände gleichsam unterhaltsam und nachvollziehbar zu schildern. Er nimmt seine Leser an die Hand und erklärt, worauf ein nicht-südafrikanischer Leser vermutlich nicht kommt: Wieso bleiben Menschen freiwillig in Townships wohnen? Wieso kam es vor, dass schwarze Mütter ihre Söhne „Hitler“ nannten? Wieso hatten Gebetskreise in Soweto die Hoffnung, dass Gott ein farbiges Kindes eher erhören würde als schwarze Frauen?

Trevor Noah musste von klein auf lernen, was es heißt, anders zu sein, wuchs er doch in einem Land auf, dass Menschen ausschließlich über ihre Hautfarbe und Stammesangehörigkeit definierte. Er lernte nach und nach, sich wie ein Chamäleon an seine Umgebung anzupassen – sein Schlüssel war dabei die Sprache, er beherrschte neben Englisch noch isiXhosa, isiZulu und andere und verblüffte damit, dass er sich so nicht in die Schublade sortieren ließ, in die der typische Farbige gesteckt wurde. Meine naive Vorstellung war ja, dass sich das Thema Hautfarbe mit dem Ende der Apartheid in Südafrika zu größeren Teilen erledigt hätte, doch diese wurde schnell ausgeräumt.

Eine Freundin, die das Buch auf Deutsch angelesen hat, äußerte sich mir gegenüber enttäuscht über die Einfachheit der Sprache. Bei meiner Lektüre auf Englisch ist mir nicht aufgefallen, dass Noahs Stil in irgendeiner Art und Weise schlicht wäre. Ich kenne die Übersetzung jedoch nicht und bin im Englischen sicher nicht so sprachsensibel wie im Deutschen. Es ist klar, dass Trevor Noah kein Literat ist – das ist nicht sein Metier. Der Südafrikaner ist ein höchst erfolgreicher Comedian, der seit 2015 als Nachfolger von Jon Stewart die Late-Night-Show „The Daily Show“ in den USA moderiert. Er ist Unterhalter und hat ein höchst unterhaltsames und trotzdem sehr reflektiertes Buch geschrieben – angesichts des Inhalts ist das in meinen Augen eine große Leistung.

„Born a crime“ vermittelt dem Leser eine leise Ahnung davon, was Apartheid für die Betroffenen wirklich bedeutet hat - und was in Südafrika bis heute im Argen liegt. Es verdeutlicht, warum "Farbenblindheit" bis heute ein frommer Traum ist und ist trotzdem nicht verbittert, sondern feiert das Leben. Ich kann es nur empfehlen.

Verlag: Spiegel & Grau
Seitenzahl: 304
Erscheinungsdatum: 19. September 2017 (Hardcover: 15. November 2016)
ISBN: 978-0525509028
Preis: aktuell 7,99 € (E-Book: 4,49 €)

Ist am 6. März 2017 auf Deutsch beim Karl Blessing Verlag unter dem Titel "Farbenblind" erschienen. Preis: 19,99 € (E-Book: 15,99 €).

26. Januar 2018

Horst Evers: "Der kategorische Imperativ ist keine Stellung beim Sex"

Letztes Jahr hatten Horst Evers und ich quasi 10-Jähriges, denn seit 2007 lese ich seine Bücher. Und musste eben feststellen, dass ich inzwischen insgesamt sieben davon im Regal stehen habe – da können nicht viele Autoren mithalten! Von seinen zwei Romanen habe ich allerdings nur einen gelesen, „Der König von Berlin“, der meiner Meinung nach bei Weitem nicht an Evers‘ alltagsbeobachtende Geschichtenbände herankommt. Letztere liebe ich und hatte mir daher sein neuestes Buch „Der kategorische Imperativ ist keine Stellung beim Sex“ zu Weihnachten schenken lassen.


Horst Evers hat einen äußerst witzigen Blick auf alltägliche Begebenheiten – vor allem auf alltägliche Begebenheiten, die ihm passieren. Er ist die Hauptfigur in seinen Geschichten und schont sich dabei nicht im Mindesten. Die Nebenfiguren kehren immer wieder – Lebensgefährtin, Tochter, Nachbar, Onkel, Freunde -, man kennt sich nach einigen Büchern. Doch nicht nur sie tauchen wiederholt auf: Äußerst kunstvoll schafft es Evers immer wieder, einer Randbemerkung fünf Geschichten weiter plötzlich Bedeutung beizumessen. Das ist eins seiner Markenzeichen und über solche Passagen freue ich mich jedes Mal wieder. Genau wie über die unvergleichliche Evers-Perspektive, mit der der Autor über die Welt sinniert: Philosophisch, pragmatisch, mit viel Witz und immer wieder ziemlich überraschenden Erkenntnissen.

Und so steht „Der kategorische Imperativ ist keine Stellung beim Sex“ eigentlich in guter Tradition zu den bisherigen Geschichtenbänden: „Die Welt ist nicht immer Freitag“, „Gefühltes Wissen“, „Mein Leben als Suchmaschine“, „Für Eile fehlt mir die Zeit“ und „Wäre ich Du, würde ich mich lieben“.  Und trotzdem … irgendwas war diesmal anders. Aber was? Voller Vorfreude hatte ich das Buch angefangen zu lesen und erst einmal war alles so, wie es sein sollte. Schon die erste Geschichte ist typisch Horst Evers: Er beschreibt, wie er einkaufen geht und für die Teenager-Tochter ein paar Unterhosen besorgen soll. Von der großen Auswahl überfordert ruft er sie aus dem Laden an und sie bittet ihn um WhatsApp-Fotos, um aus der Ferne eine Entscheidung fällen zu können. Dass ein mittelalter Mann Mädchenunterwäsche fotografiert, ruft allerdings eine Verkäuferin auf den Plan und die Geschehnisse nehmen ihren Lauf, werden mit Erinnerungen an andere schräge Einkaufserlebnisse angereichert, es gibt zwei, drei unerwartete Wendungen und raus kommt eine ziemlich lustige, ziemlich typische Evers-Geschichte.
Aber irgendwie kamen nicht viele Geschichten an sie ran. Einige waren überdreht, dafür mit weniger Witz – man kann sie alle gut lesen, das Buch ist unterhaltsam … aber ich habe in Erinnerung, mich über die Vorgänger deutlich mehr amüsiert zu haben. Sie waren subtiler, mit mehr überraschenden Wendungen, mehr Komik. Nun grüble ich, ob es an Horst Evers oder an mir liegt. Fällt ihm nicht mehr so viel ein – oder finde ich es einfach nicht mehr so komisch wie früher? Ich hoffe fast auf Ersteres und werde demnächst mal wieder in „Für Eile fehlt mir die Zeit“ reinlesen.

Verlag: Rowohlt Berlin
Seitenzahl: 240
Erscheinungsdatum: 20. Januar 2017
ISBN: 978-3871341724
Preis: 16,95 € (E-Book: 14,99 €); die Taschenbuchausgabe soll am 24. April 2018 für 9,99 € erscheinen.