An Weihnachten muss man die Wahrheit sagen – oder besser doch nicht?
Für die Vorstellung eines Weihnachtsbuchs mag ich schon etwas spät sein, wobei Alina Bronsky in „Das Geschenk“ auch nicht viel Besinnlichkeit aufkommen lässt. Im Gegensatz zum Verlag würde ich das Ganze zwar nicht unbedingt als „bitterböses Lesevergnügen“ beschreiben, hatte aber während der Lektüre dennoch gänzlich unweihnachtliche Überraschungsmomente.
Kathrin und Peter haben sich eigentlich auf ein Weihnachtsfest zu zweit gefreut – ohne erwachsene Kinder, Baum und Stress wollten sie die Feiertage einfach mal im Urlaub verbringen. Doch ein Anruf von Klaus hat Kathrin zu einer spontanen Planänderung veranlasst: Der verwitwete Freund hat das Paar eingeladen. Man hat sich lange nicht gesehen, die größte Gemeinsamkeit waren eigentlich die Kinder im ähnlichen Alter – aber zumindest Kathrin will den trauernden Witwer zum Fest der Liebe nicht alleine lassen. Bloß, dass der gar nicht alleine ist, sondern seine neue, junge Lebensgefährtin Sharon einfach nicht erwähnt hat. Und so wäre Kathrin und Peters mildtätiges Weihnachtsopfer gar nicht nötig gewesen, doch sie können sich schwerlich gleich wieder aus dem Staub machen. Und vielleicht gäbe es ja auch trotzdem noch Hoffnung auf angenehme Feiertage … wenn nicht Sharons flapsig-offene Art bei ihren Besuchern etwas auslösen würde. Und so bringt dieses Weihnachtsfest einiges ans Licht, das lange unter den Teppich gekehrt wurde und vielleicht auch besser da geblieben wäre.
Alina Bronsky seziert genüsslich, wie ein Paar durch eine unvorhergesehene Situation komplett aus dem Tritt kommt und erzählt eine Weihnachtsgeschichte, die sich gegen jede Form moralischer Überlegenheit auflehnt. Vermutlich hätte mir die Erzählung noch besser gefallen, wenn mir zumindest einer der Charaktere sympathisch gewesen wäre, aber richtig warm bin ich mit niemandem der vier geworden. Trotzdem liest sich dieses Büchlein schnell und knackig weg und bestätigt wieder einmal, dass das Gegenteil von gut durchaus gut gemeint sein kann. Wer vom Fest der Liebe desillusioniert ist, hat an „Das Geschenk“ vermutlich mehr Freude als echte Weihnachts-Liebhaber*innen.
Ob Weihnachtsmuffel oder -fan: Ich wünsche allen hier Mitlesenden einen guten Rutsch!
Verlag: edition chrismon
Seitenzahl: 112
Erscheinungsdatum: 9. September 2021
ISBN: 978-3960382966
Preis: 12,00 € (E-Book: 9,99 €)
Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar erhalten.