Falsches Format für diesen Klassiker
„Die Tote in der Bibliothek“ war der erste Agatha-Christie-Krimi überhaupt, den ich gelesen habe. Ein Freund meines Vaters besuchte uns, ich war vielleicht 12 oder 13, und brachte ihn mir in der schwarzweiß-gestreiften Ausgabe mit, die auch damals schon etwas älter war – offensichtlich ein Buch aus seinen eigenen Beständen. Ich weiß nicht mehr, ob ich es sofort gelesen habe oder erst irgendwann später, aber dass es raffiniert war, wusste ich auf jeden Fall zu schätzen und lese bis heute gerne ab und zu Krimis von der Queen of Crime. Warum also nicht mal als Graphic Novel?
Hier, nach der Lektüre, meine Antwort: Weil die Umsetzung einfach nicht so gut funktioniert.
Kurz zum Inhalt: „Die Tote in der Bibliothek“ wird bereits zu Beginn gefunden, im Haus des ehrwürdigen, älteren Colonel Bantry und seiner Frau. Sie liegt morgens vor den Bücherregalen – blond, jung, leicht bekleidet und mausetot. Das Ehepaar hat die Frau noch nie gesehen, doch dass sie in ihrem Haus gefunden wird, macht natürlich keinen guten Eindruck. Außer der Polizei ruft Mrs. Bantry deswegen auch gleich ihre Freundin Jane Marple, die sich – zunächst zum Ärger der Ermittler Chief Constable Melchett und Inspektor Flem – selbst umhört. Bald stellt sich heraus, dass die Tote als Tänzerin in einem Hotel gearbeitet hat und ein älterer Gast ihr so zugetan war, dass er sie in seinem Testament berücksichtigen wollte. Doch seine sonstigen Erben haben wasserdichte Alibis und der Fall wird immer undurchsichtiger …
„Die Tote in der Bibliothek“ ist eine verschlungene Geschichte mit einigen Twists – wer sie noch nicht kennt, tappt vermutlich lange im Dunkeln. Wenn ich Krimis lese, rätsel ich immer gerne mit; nehme aber an, dass man beim Lesen der Graphic Novel gar nicht dazu kommt. Hier geht alles Schlag auf Schlag, man lernt die Charaktere gar nicht richtig kennen und hat keine Möglichkeit, auf Zwischentöne oder Anspielungen zu achten. Generell geht leider vieles verloren, was die Krimis von Agatha Christie ausmacht. Darüber hinaus wirkt Miss Marple wie eine nervige Besserwisserin, die ständig aus dem Nichts auftaucht und sich einmischt – und sie sieht kein bisschen aus wie Margaret Rutherford! Fair enough, aber die sehe ich einfach vor mir, wenn ich einen Miss-Marple-Krimi lese. Doch auch das Gesamtbild war für mich nicht stimmig. Die Geschichte kann sich nicht so aufbauen wie im Roman, Emotionen bleiben auf der Strecke (außer bei Inspektor Flem, der Ärger und Ungeduld stets freien Lauf lässt – das allerdings in einem Ton, der nicht zu Agatha Christies Krimis passt). Wer „Die Tote in der Bibliothek“ nicht kennt, ist vermutlich nicht so kritisch mit der Graphic Novel und auch mir haben die Illustrationen an sich eigentlich gefallen. Trotzdem tat es mir leid um die Geschichte. Für sie ist es einfach nicht das richtige Format.
Verlag: Carlsen Comics
Seitenzahl: 64
Erscheinungsdatum: 26. März 2024
ISBN: 978-3551794130
Preis: 20,- €
Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar erhalten.