25. Oktober 2017

Naomi Alderman: "The Power"

Bei einer Lovelybooks-Leserunde im Juli habe ich "The Power" von Naomi Alderman gewonnen und mich sehr darüber gefreut. Bevor ich es bei Lovelybooks gesehen hatte, hatte ich noch nie von dem Buch gehört; es ist bislang allerdings auch nur auf englisch erhältlich. Im März 2018 wird es unter dem Titel "Die Gabe" auch in deutscher Sprache erscheinen.
Die Stimmen zu dem Roman klangen wahnsinnig vielversprechend und waren auch außergewöhnlich vielseitig: Von Financial Times ("The Power is a blast") bis hin zu Cosmopolitan ("The Hunger Games crossed with The Handmaid's Tale"). Margaret Atwood, die dieses Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen bekommen hat, hat schön anschaulich beschrieben: "Electrifying! Shocking! Will knock your socks off! Then you'll think twice about everything."


Tja, und was sage ich? Das Buch war kein reines Lesevergnügen, beruht aber auf einem sehr interessanten Gedankenexperiment:

Wenn Frauen die Welt regieren würden …


… dann wäre diese ein friedlicherer, gerechterer und harmonischerer Ort - oder? Naomi Aldermans „The Power“ belehrt die Leser eines Besseren. Ein Buch im Buch beschreibt die dystopischen Entwicklungen, die das Kräfteverhältnis der Geschlechter umkehren. Junge Mädchen entdecken, dass ihre Körper Elektrizität erzeugen können und dass sie in der Lage sind, diese gezielt als Waffe einzusetzen. Plötzlich sind es Jungen, die schutzbedürftig erscheinen und in der Folge von den Mädchen getrennt werden. Und das ist erst der Anfang …
Das Buch hat vier Hauptfiguren, drei von ihnen weiblich. Roxy wird als Teenager Zeuge der Ermordung ihrer Mutter, Politikerin Margot verachtet ihren unsympathischen Chef und Pflegekind Allie hat schon einiges mitgemacht im Leben. Ihnen allen verschafft „The Power“ die Möglichkeit, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Journalistikstudent Tunde arrangiert sich dagegen schnell mit den neuen Verhältnissen und wird zum Chronisten der Veränderungen; er reist zu den Hotspots der Umbrüche und berichtet. Und Umbrüche gibt es weltweit – „The Power“ ist überall gleichzeitig ausgebrochen. Sie ermöglicht Frauen global, sich gegen ihre Unterdrücker aufzulehnen. Doch was ist noch Verteidigung und was schon Angriff? Was ist durch Gewalt erzeugte Gegengewalt und was beruht einfach nur auf Grausamkeit? Was lässt sich noch irgendwie rechtfertigen und was ist einfach nur ein Missbrauch der neuen Macht?

Naomi Aldermann entwirft eine Dystopie, die zugleich fesselnd und unangenehm ist. Nachdem man sich als Leserin erstmal halbwegs entspannt zurücklehnt, weil hier und da scheinbar Gerechtigkeit hergestellt wurde, kommt schnell ein immer größeres Unbehagen auf. Männer werden vermehrt Oper von Übergriffen. Einige werden im Job zu Sexobjekten degradiert, andere trauen sich kaum mehr alleine aus dem Haus. Und dann gibt es auch noch eine neue Religion mit einer Prophetin, die wie eine Heilige verehrt wird und die neue Macht der Frauen zu legitimieren und zu festigen scheint. Dass irgendwann eine Art von Gewöhnung an „The Power“ einsetzt, bedeutet nicht, dass sich die Lage beruhigt – im Gegenteil. So viel zum Thema: „Wenn Frauen die Welt regieren würden …“  Naomi Alderman macht sich da keinerlei Illusionen. Was sie mehr als deutlich ausführt: Macht verändert. Jeden. Und eine Veränderung zum Positiven ist leider die Ausnahme. Dafür findet sie viele Beispiele aus total verschiedenen Bereichen und irritiert, wenn sie teils bekannte Mann-Frau-Situationen einfach immer wieder umdreht.

Drastischer und plastischer wird das Ganze noch dadurch, dass die Autorin ein „Buch im Buch“ geschaffen hat. Diesem ist ein Mailwechsel zwischen Autor und Lektorin (dem Alter Ego der Autorin) vorangestellt, in dem der Autor beschreibt, dass er sein Geschichtsbuch „The Power“ in die Form einer Erzählung gebracht hat, damit es nicht so trocken ist. Zusätzlich werden immer wieder historische Artefakte abgebildet, die das Geschlechterverhältnis in vergangenen Zeiten untermauern sollen. Als Leser fragt man sich immer häufiger, wo das alles eigentlich enden soll, zumal der Text wie ein Countdown aufgebaut scheint. Kein Wohlfühl-Buch! Aber ein sehr interessantes Gedankenexperiment, das nachdenklich macht und mich durchaus verstört zurückgelassen hat.

Verlag: Penguin
Seitenzahl: 341
Erscheinungsdatum: 6. April 2017
ISBN: 978-0670919963
Preis: aktuell 7,99 € (E-Book: 10,32 €)

Erscheint am 12.03.2018 auf deutsch beim Heyne Verlag unter dem Titel "Die Gabe". Preis: 16,99 € (E-Book: 13,99 €).

17. Oktober 2017

Karine Tuil: "Die Zeit der Ruhelosen"

Bereits im März habe ich Karine Tuils "Die Zeit der Ruhelosen" gelesen und rezensiert. Das Buch ist ein eindringlicher Gesellschaftsroman über Aufstiege, Niedergänge und die Unmöglichkeit, die eigene Herkunft abzuschütteln; es hat mich ziemlich beeindruckt. Deswegen und weil Karine Tuil eine französische Autorin ist und Frankreich ja gerade Gastland auf der Frankfurter Buchmesse war, will ich den Blog mit diesem bei Ullstein erschienen Roman starten.


„Die Zeit der Ruhelosen“ liest sich sehr intensiv. Schon der Einstieg – die Schilderung eines Afghanistan-Einsatzes aus der Sicht eines französischen Soldaten – ist hart und gleichzeitig die Vorbereitung des Lesers auf das, was noch folgt: Zwar sind Krieg und Terror nicht die Hauptthemen des Buches, tauchen aber immer wieder auf. Die Protagonisten in Karine Tuils Roman kommen, wie der Titel schon sagt, nicht zur Ruhe: Ein Afghanistan-Heimkehrer, ein erfolgreicher Geschäftsmann und ein politischer Aufsteiger. Zwar kreuzen sich ihre Wege im Verlauf des Buches, doch sie haben kaum etwas gemeinsam. Jeder von ihnen ist ein Einzelkämpfer und strebt nach dem, was ihm wichtig ist: Karriere, Anerkennung, Liebe. Immer wieder geht es dabei um Macht. Die Macht, etwas zu bewirken, zu beeinflussen oder zu kontrollieren. In ihrem Streben kommen die Hauptfiguren ins Straucheln und müssen mehr oder weniger schmerzhaft feststellen, dass sie nicht frei agieren können, dass insbesondere ihre Herkunft sie nicht loslässt. Sie können ihre Vergangenheit nicht abschütteln, sie holt sie ein, egal, wie sehr sie sich innerlich und äußerlich von ihr distanzieren. Der Soldat wurde durch seinen letzten Einsatz traumatisiert, der Geschäftsmann muss sich durch die Presse daran erinnern lassen, dass er als Jude geboren wurde und sieht sich bald einer antisemitischen Hetzampagne ausgesetzt. Der politische Aufsteiger entfernt sich gerne und schnell von seinen Banlieue-Wurzeln, doch sowohl seine neuen Kollegen als auch ein alter Freund, der sich religiös radikalisiert hat, lassen nicht zu, dass er diese vergessen kann.

Doch in „Die Zeit der Ruhelosen“ wird auch geliebt und geweint. Es ist ein vielschichtiges Buch, das mich sehr gefesselt hat. Ich konnte mit den Protagonisten mitfühlen, denn auch wenn sich meine Sympathien bisweilen in Grenzen hielten: Karine Tuil zeigt nachvollziehnbar, was jeden einzelnen antreibt. Parallel ist man bei Aufstiegen und Untergängen der einzelnen Figuren dabei. Mich hat beeindruckt, wie gut die Autorin die Erlebniswelt der drei so unterschiedlichen Protagonisten erfasst hat: Man zieht mit ihnen in den Krieg, die PR-Schlacht, den Élysée-Palast. Karine Tuil beschreibt Atmosphären, Orte und Gefühle so eindringlich, dass man als Leser kaum näher dran sein könnte. Und so ist auch das Leseerlebnis ruhelos, und genauso lässt einen das Buch nach seinem dramatischen Finale zurück. Ein großer Roman, den es sich unbedingt zu lesen lohnt.

Verlag: Ullstein Hardcover
Seitenzahl: 512
Erscheinungsdatum: 10. März 2017
ISBN: 978-3550081750
Preis: 24,00 € (E-Book: 19,99 €)

15. Oktober 2017

Hallo!

Willkommen beim "Romanregal", das an diesem hoffentlich schönen Buchmessesonntag online gegangen ist. Leider verpasse ich die Frankfurter Buchmesse 2017 bereits das zweite Mal in Folge, aber am Buchmessesonntag einen eigenen Buchblog zu starten, fühlt sich fast wie eine kleine Entschädigung an.
Ich möchte diese Seite vor allem nutzen, um meine eigenen Rezensionen zu veröffentlichen. Seit ca. einem Jahr bin ich bei den Plattformen lovelybooks.de und vorablesen.de recht aktiv, gewinne öfters mal ein Buch und bespreche es dann für die jeweilige Plattform. Da es mir Spaß macht, ein zuvor beendetes Buch so noch einmal Revue passieren zu lassen, habe ich irgendwann begonnen, auch Bücher zu rezensieren, die ich ohne Verbindung zu den genannten Seiten lese. Dieser Blog ist meine persönliche Rezensionssammlung, wobei ich ich hier nur Besprechungen veröffentlichen werde, wenn ich die zugehörigen Bücher empfehlen will, für diskussionswürdig erachte o.ä.
Momentan lese ich vor allem E-Books. Eigentlich bevorzuge ich das gedruckte Buch, weiß inzwischen aber auch meinen E-Book-Reader sehr zu schätzen, weil er leicht ist, ich nachts ohne extra Licht lesen und mir Passagen mühelos markieren kann. Am liebsten und häufigsten lese ich - Überraschung - Romane, ab und an jedoch auch gerne Krimis oder Thriller und manchmal findet sich auch ein Sachbuch auf meinem SuB (=Stapel ungelesener Bücher). Historische Romane reizen mich in der Regel nicht besonders, ich habe ein Faible für zeitgenössische Literatur, eine kleine Schwäche für Psychothriller und lese hin und wieder auch Cosy Crimes, z.B. von Agatha Christie.
So viel zu meinen Lesevorlieben. Ich wünsche frohes Stöbern und werde jetzt erst einmal dafür sorgen, dass es bald etwas zu stöbern gibt.