28. Mai 2018

Natalie Buchholz: Der rote Swimmingpool

Cover wirken auf einem E-Book-Reader naturgemäß etwas trist, werden sie doch nur in Graustufen angezeigt. Meist ist mir das egal, aber manche Bücher sehen so farbenfroh aus, dass ich das Originalcover doch noch einmal daneben stellen muss. Hier spiegelt schon die satte rote Farbe das dekadente Sommergefühl des Romans wieder. Man sieht außerdem, dass hier etwas in Bewegung geraten ist - und fängt man dann an zu lesen, stellt man fest, dass das nicht nur auf das Wasser des abgebildeten roten Swimmpingpools zutrifft.


„Der rote Swimmingpool“ ist ein sommerlich leichter Coming-of-Age-Roman, in dem der Leser Hauptfigur Adam durch Höhen und Tiefen begleitet. Dabei gibt es zwei parallele Handlungsstränge; Vergangenheit – hauptsächlich die Monate vor Adams 18. Geburtstag – und Gegenwart – irgendwann im Laufe seines 19. Lebensjahres – wechseln sich kapitelweise ab. Adams Erwachsenwerden und Selbstfindung sind ein holpriger Prozess, nachhaltig gestört von der für ihn aus heiterem Himmel kommenden Trennung seiner Eltern, die doch immer ein Vorzeigepaar gewesen waren: Seine Mutter eine extravagante Französin, sein Vater ein erfolgreicher Unternehmensberater, der seiner Frau einen rotgekachelten Swimmingpool in den Garten bauen ließ, nachdem sie die französische Küste so vermisste. Doch plötzlich ist alles vorbei, Adam versteht die Welt nicht mehr und niemand will sie ihm erklären.
Während das Unheil in der Vergangenheit seinen Lauf nimmt, gibt es für Adam in der Romangegenwart Hoffnung: Er lernt Tina kennen und scheint sich zum ersten Mal zu verlieben. Dumm nur, dass sein bester Freund Tom ebenfalls ein Auge auf sie geworfen hat …

Autorin Natalie Buchholz hat die Geschichte geschickt konstruiert. Die beiden Handlungsstränge gleichen sich zeitlich immer mehr an, bis der Leser schließlich erfährt, welche Ereignisse der Vergangenheit zur Gegenwart geführt haben. Das ist gut gemacht und steigert die Spannung in diesem Roman, in dem ab und an auch die Zeit stillzustehen scheint: Wenn die Mutter ihre Bahnen durch den Pool zieht oder Adam mit seinen Freunden am See abhängt, kann man die Atmosphäre eines wolkenlosen, trägen Sommertages, an dem niemand etwas von einem will, quasi mit Händen greifen. Adam wächst dem Leser ans Herz, seine inneren Kämpfe sind nachvollziehbar, man leidet fast mit. Etwas blass bleiben dagegen seine Eltern, die für Adams Verwirrung und Orientierungslosigkeit verantwortlich sind. Aber auch das ist gut dargestellt: Anfangs noch die Helden seiner Kindheit, gelangt Adam schließlich zur Erkenntnis, dass seine Eltern auch nur Menschen sind – und dabei vielleicht sogar besonders fehlbare Exemplare.

Ich habe „Der rote Swimmingpool“ gerne gelesen. Dabei brauchte ich ein paar Kapitel, um wirklich in die Geschichte mit ihren beiden Zeitsträngen hineinzufinden, aber danach konnte ich das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Eine leichte, aber doch anrührende und nachdenklich machende Lektüre – ob nun an einem heißen Sommertag an einem roten Swimmingpool gelesen oder nicht.

Verlag: Hanser Berlin
Seitenzahl: 288
Erscheinungsdatum: 14. Mai 2018
ISBN: 978-3446259096
Preis: 19,00 € (E-Book: 14,99 €)

14. Mai 2018

Christine Féret-Fleury: Das Mädchen, das in der Metro las

Manches lese ich, obwohl mich die Leseprobe nicht komplett überzeugt hat. Natürlich lese ich längst nicht immer die Leseprobe eines Romans, bevor ich mich für seine Lektüre entscheide, aber hier hatte ich es getan. Sie handelte von einer täglich zur Arbeit pendelnden jungen Frau, die in der Pariser Metro las, und hielt damit absolut, was der Buchtitel versprach. Mich irritierte allerdings ein wenig, wie träumerisch die junge Frau wirkte, wie sehr in ihre Gedankenwelt versponnen.
Aber ich wollte dieses Buch trotzdem lesen. Zum einen fand ich das Cover sehr gelungen, zum anderen mag ich Bücher über Bücher. Dazu kam, dass die Handlung in der Leseprobe noch nicht wirklich begonnen hatte, und so hatte ich mir sowieso noch keinen wirklichen Eindruck von der Erzählung machen können.


Protagonistin Juliette ist „Das Mädchen, das in der Metro las“. Sie liest vor allem morgens und abends, auf dem Hin- und Rückweg zu ihrer sie langweilenden Arbeit in einem Maklerbüro. Außerdem beobachtet sie die anderen pendelnden Leser und ihre Bücher und macht einige skurrile Beobachtungen. Insgesamt führt sie ein ruhiges, ereignisloses Leben – ein Leben, wie es sich ihre Mutter immer für sie gewünscht hat: ohne größere Probleme, Sorgen, Aufregungen. Dass es zu einer radikalen Veränderung ihres Lebens führt, als sie einmal spontan beschließt, ein paar Stationen früher aus der Metro auszusteigen und einen kleinen Spaziergang zu machen, ist dann auch am wenigsten für Juliette selbst abzusehen. Doch als sie den Antiquariats-ähnlichen Laden „Bücher ohne Grenzen“ bemerkt und betritt, kommen Ereignisse ins Rollen, die Hauptfigur und Leser gleichermaßen überraschen.

Ich möchte diese Ereignisse nicht vorwegnehmen – bei einem nur 174 Seiten umfassenden Buch ist sonst schnell der halbe Roman erzählt. Nur so viel: Es geht immer wieder um Bücher, Autorin Christine Féret-Fleury betreibt ein richtiggehendes Literatur-Namedropping. Immer wieder wird thematisiert, dass das richtige Buch zur richtigen Zeit durchaus etwas bewirken und ein Leben verändern kann. Trotz aller Bibliophilie bleibt jedoch nicht unerwähnt, dass Lesen kein Ersatz für leben ist – Bücher können ein Leben bereichern, aber wer über das Lesen sein Leben vergisst, verpasst ebenfalls etwas. Protagonistin Juliette erfährt all das am eigenen Leib. Die Häufung dieser Ereignisse gerade gegen Romanende hat mich dabei sehr überrascht; ich bin mir immer noch nicht ganz klar darüber, was ich nun eigentlich davon halte. „Das Mädchen, das in der Metro las“ hat stellenweise etwas Zauberhaftes, das mich an „Die fabelhafte Welt der Amélie“ erinnerte. Andere Elemente wollten nicht so recht zu dieser märchenhaften Stimmung passen, wie der Leser wird auch „Das Mädchen, das in der Metro las“ schmerzhaft in die Realität zurückgeholt. Und das Romanende ist eigentlich wieder ein Anfang, dem dann auch noch eine Bücherliste folgt, die schon ein halber Klassikerkanon ist. Puh!

Der träumerische Grundton zu Beginn des Buches verliert sich über die Langstrecke zwar, aber dass am Ende dann alles so schnell ging – so ganz kam ich da doch nicht mit. Vielleicht wollte Autorin Féret-Fleury hier zu viel auf zu wenig Seiten erreichen. Die Autorin hat lange als Verlagslektorin gearbeitet und bringt ihre Liebe zu Büchern auf vielfache Weise zum Ausdruck, aber ihrer eigentlichen Handlung hätte sie für meinen Geschmack mehr Seiten einräumen sollen.

Was bleibt, ist das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben. „Das Mädchen, das in der Metro las“ ist kein schlechtes Buch, scheint aber inhaltlich nicht komplett ausgegoren. Eine gelungene Hommage an die Literatur, aber als Roman nicht komplett überzeugend. Vielleicht hätte mich das Cover doch vorwarnen sollen?

Verlag: DuMont Buchverlag
Seitenzahl: 176
Erscheinungsdatum: 22. Mai 2018
ISBN: 978-3832198862
Preis: 18,00 € (E-Book: 14,99 €)

9. Mai 2018

Verena Carl: Die Lichter unter uns

Manchmal spricht einen einfach schon das Cover an. Dieses hier fiel mir gleich auf mit seinen Blau- und Weißtönen, zu denen das fröhliche Gelb von Rahmen und Buchrücken nicht ganz zu passen scheint. Obwohl die abgebildete Frauenfigur nur von hinten zu sehen ist, lässt sich bestens vorstellen, dass sie sehnsüchtig aufs Meer schaut. So wird der Leser auch gleich auf die melancholische Stimmung des Romans vorbereitet, die mir dann allerdings manchmal etwas zu viel wurde.


Die aufs Meer blickende Frau könnte Anna sein, die Hauptfigur in "Die Lichter unter uns". Ihre zweite (und letzte) Urlaubswoche auf Sizilien ist bereits angebrochen. Ihr Mann Jo und sie waren hier vor Jahren in den Flitterwochen in der vornehmen Villa Mare. Inzwischen haben sie zwei Kinder, den sechsjährigen Bruno und die elfjährige Judith und an einen Urlaub in dem Nobelhotel ist nicht mehr zu denken, die gebuchte, günstige Ferienwohnung jedoch nur ein schaler Ersatz. Und auch Flitterwochengefühle stellen sich nicht ein, das Paar scheint sich auseinandergelebt und nicht mehr viel zu sagen zu haben. Anna funktioniert als Mutter, wirkt jedoch abwesend und hängt meist ihren trüben Gedanken nach. Bis sie eines Abends Alexander beobachtet und es zu einem kurzen Blickkontakt zwischen ihnen kommt. Alexander, Anfang 50, gepflegt, erfolgreich, wohlhabend, auf der Sonnenseite des Lebens und im Urlaub mit seinem studierenden Sohn aus erster Ehe und seiner jungen, schwangeren Frau. Zumindest ist das die Fassade, die Anna sieht – und die sie anzieht. Ist sein Leben nicht viel attraktiver als ihres – bzw. wäre ihr Leben nicht viel attraktiver, wenn es an seiner Seite stattfände?

Der Romanbeginn ist in erster Linie aus Annas Perspektive geschildert und wirkt durch ihre Unzufriedenheit schnell deprimierend. Doch Autorin Carl lässt ihre Leser bald auch hinter die Fassade von Erfolgsmensch Alexander blicken. Nach und nach werden die anderen erwachsen Figuren ebenfalls zu Erzählern und es zeigt sich, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Die Kirschen in Nachbars Garten sind süßer – zumindest ist das die Vorstellung auf der eigenen Seite des Zauns. Über der ganzen Szenerie hängt ein Hauch von Vergänglichkeit, Herbst, Verwesung: Urlaub und Feriensaison gehen gleichermaßen zu Ende – und vielleicht auch Annas Ehe?

Carl formuliert sprachlich schöne Sätze, sie findet stimmige Metaphern für ihren von Molltönen durchzogenen Roman. Gekonnt lässt sie ihren Lesern einen gewissen Interpretationsspielraum, ohne dass diese komplett im Trüben fischen – das fand ich bei der Lektüre sehr angenehm und anregend. Dennoch brauchte ich eine Weile, um mich auf die Geschichte einzulassen. Es fällt nicht leicht, mit Anna warm zu werden, einer gestandenen Frau, die sich wie ein junges Mädchen einer gedanklichen Schwärmerei ergibt und für die das Familienleben oft nur noch eine Pflichtübung zu sein scheint. Auch die anderen Figuren sind nicht unbedingt Sympathieträger. Doch ihre Geschichten sind komplexer angelegt, als es auf den ersten Blick scheint und so entwickelt sich der Roman und zieht den Leser langsam mit. Als ich schon nicht mehr damit gerechnet habe, hat mich dieses Buch doch noch berührt und schließlich nachdenklich zurückgelassen. Als Sommer- oder gar Urlaubslektüre möchte ich es nicht empfehlen, aber zum Herbst könnte es stimmungsmäßig gut passen.

Verlag: S. Fischer
Seitenzahl: 320
Erscheinungsdatum: 25. April 2018
ISBN: 978-3103973631
Preis: 20,00 € (E-Book: 16,99 €)