20. Dezember 2018

Francesca Hornak: Sieben Tage wir

Weihnachten ist bekannterweise das Fest der Liebe und der Familie. Aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass „Sieben Tage wir“ immer die beste aller Ideen ist. Eine Woche im Kreis der Familie kann auch anstrengend werden – vor allem, wenn es keinerlei Möglichkeiten gibt, sich mal für ein paar Stündchen auszuklinken. Dennoch geht es in meinem zweiten Weihnachtsbuch dieser Saison wesentlich harmonischer zu als in "Hercule Poirot's Christmas" - ich denke, ich kann an dieser Stelle verraten, dass immerhin kein Familienmitglied ermordet wird!


Francesca Hornak schildert in „Sieben Tage wir“, wie sich eine Familie zwischen Weihnachten und Silvester quasi gegenseitig ausgeliefert ist – es gibt nämlich kein Entkommen, für niemanden: Zum ersten Mal seit Jahren feiert die 32-jährige Ärztin Olivia Birch wieder mit Eltern und Schwester das Fest der Liebe. Nicht komplett freiwillig: Die passionierte Ärztin hat gerade einen mehrmonatigen Einsatz im westafrikanischen Liberia hinter sich. Dort grassiert eine in ihren verheerenden Auswirkungen mit Ebola vergleichbare Epidemie und Olivia gehört zu einem Team ausländischer Ärzte, die unter größten Vorsichtsmaßnahmen Erkrankte behandeln. Doch kurz vor Weihnachten wird sie im Zuge eines Schichtwechsels nach Hause geschickt, hat sich dort jedoch sieben Tage unter Hausarrest zu begeben, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Kontakt zu anderen Menschen ist erlaubt, sofern diese die Quarantäne teilen. Und so hat das Weihnachtsfest für Olivia, ihre jüngere Schwester Phoebe und ihre Eltern auch ein bisschen was von Isolationshaft. Relativ früh wird klar, dass das anstrengend werden könnte: Mutter Emma will ihre heimgekehrte Tochter mal so richtig verwöhnen, aber lieber keine die Weihnachtsstimmung verderbenden Geschichten aus Liberia hören. Die Schwestern halten sich gegenseitig für arrogant bzw. oberflächlich, der Vater geht dem Rest der Familie so gut es geht aus dem Weg. Außerdem hat er ein Geheimnis vor seinen Lieben – doch er ist längst nicht der Einzige, der in dieser Familie etwas verschweigt.

Das Gemütlichkeit heraufbeschwörende Cover von „Sieben Tage wir“ scheint einen kuscheligen Weihnachtsroman anzukündigen und in weiten Teilen ist das Buch auch eine Feelgood-Lektüre. Es menschelt unentwegt, die Familienmitglieder kommen sich näher und gehen wieder auf Distanz zueinander, ein unerwarteter Besucher wirbelt die Woche zusätzlich durcheinander – teilweise wirkt es, als wären die Protagonisten zusammen in einer Schneekugel eingeschlossen, die kräftig durchgeschüttelt wird. Trotz Quarantäne passiert so viel, dass kaum Zeit bleibt, darüber nachzudenken, ob der Zufall nicht doch etwas zu oft zuschlägt. Der Roman liest sich fast von allein, die höchst unterschiedlichen Charaktere sind allesamt stimmig ausgestaltet und ich habe bald mit jedem von ihnen mitgefiebert. Und musste irgendwann die Erfahrung machen, dass auch in einem Weihnachtsroman nicht alles eitel Sonnenschein ist – damit hat mich die Autorin dann doch kalt erwischt. „Sieben Tage wir“ ist eine schöne Feiertagslektüre – ohne Kitsch und Schmalz, aber mit viel Herz und einer Botschaft, die wiederum zu Weihnachten passt: Auch wenn man sich voneinander entfernt hat, kann man wieder zusammenrücken.

Verlag: Ullstein
Seitenzahl: 464
Erscheinungsdatum: 12. Oktober 2018
ISBN: 978-3548290898
Preis: 13,00 € (E-Book: 9,99 €)

14. Dezember 2018

Agatha Christie: Hercule Poirot's Christmas

Bücher mit Weihnachtsbezug sind die perfekte Lektüre für die Adventszeit. Wenn „Christmas“ schon im Titel vorkommt, kann nichts mehr schiefgehen, sollte man meinen … steht allerdings außerdem noch der Autorenname „Agatha Christie“ auf dem Cover, lässt das bereits erahnen, dass es nicht zwangsläufig besinnlich wird. Die Autorin selbst kündigt in ihrer Widmung quasi an, es krachen zu lassen. Sie hat sie an ihren Schwager gerichtet, der offensichtlich ein großer Fan ihrer Werke war, sie aber gleichzeitig zunehmend blutleer fand – im wahrsten Sinne des Wortes, denn Christie schrieb ihm: „You yearned for a good, violent murder with lots of blood.“ Den wollte sie ihm mit diesem Krimi bescheren und stellte ihrem Text auch noch ein Zitat aus „Macbeth“ voran, das nichts Gutes verheißt. Na dann: frohe Weihnachten!


Ich war also vorgewarnt, dass „Hercule Poirot‘s Christmas“ mir eher Gänsehaut als Wärme ums Herz einbringen würde – aber da ich Agatha Christies Krimis sehr gerne lese, war das kein Hinderungsgrund. Und so vertiefte ich mich in die Weihnachtsvorbereitungen auf dem britischen Anwesen Gorston Hall, wo eine Familienzusammenkunft ansteht: Der greise Patriarch Simon Lee versammelt zum Fest der Liebe seine vier Söhne mit ihren Ehefrauen (sofern vorhanden) um sich, außerdem hat er sein einziges Enkelkind eingeladen. Als Überraschungsgast findet sich noch der Sohn eines früheren Geschäftspartners ein. Die Stimmung ist nicht ganz so gut, doch darauf legt es der alte Mann auch nicht an, im Gegenteil: Er hat einen ziemlich seltsamen Humor und zieht sein eigenes, kleines Vergnügen daraus, seine Familienangehörigen zu demütigen – wissend, dass die sich das zähneknirschend gefallen lassen werden, um ihr Erbe nicht zu gefährden. Und so hat eigentlich fast jeder von Simon Lees Nachkommen ein Motiv, als der Fiesling noch vor Beginn der eigentlichen Feierlichkeiten ermordet aufgefunden wird – aber „Whodunit“? Wer war’s?

Agatha Christie hat das Rad nicht neu erfunden. Letztes Jahr im Dezember las ich den Krimi einer Zeitgenossin, „Geheimnis in Rot“ von Mavis Doriel Hay, der zwei Jahre vor dem 1938 erschienenen „Hercule Porot’s Christmas“ publiziert worden war und genau die gleiche Ausgangssituation hat: Das ungenießbare Familienoberhaupt ist ermordet worden, fast jeder hätte gute Gründe. Aber gerade Weihnachten ist ja auch ein Fest der Traditionen, und so stört es gar nicht, dass einem die Grundidee dieses Weihnachtskrimis nicht unbedingt originell vorkommt. Agatha Christie wäre nicht die Queen of Crime, wenn sie ihrem Werk nicht wieder eine ganz besondere, ziemlich unvorhersehbare eigene Note verliehen hätte – ein 08/15-Krimi ist es keinesfalls. Ich habe sehr gerne (und wie so oft erfolglos) mitgerätselt, wer Simon Lee umgebracht hat. In weihnachtliche Stimmung hat mich das nicht unbedingt versetzt, die Lektüre hat aber wie immer großen Spaß gemacht. Und auch wenn die Mengen geflossenen Blutes für einen Christie-Krimi tatsächlich überdurchschnittlich sind, gehört er dennoch verlässlich in die Kategorie „Cosy Crime“. Klare Dezember-Empfehlung!

Verlag: Harper
Seitenzahl: 282
Erscheinungsdatum dieser Ausgabe: 26. September 2013 (Erstausgabe: 1938)
ISBN: 978-0007527540
Preis: 7,49 € (E-Book: 6,99 €)

8. Dezember 2018

Care Santos: Als das Leben vor uns lag

Dieses Buch handelt von fünf Freundinnen, aber eigentlich ist es kein Buch über Freundschaft, sondern eines über zwischenmenschliche Beziehungen aller Art, den Umgang mit Veränderungen, über Mut und Emanzipation und das Spanien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ganz schön viele Themen, von denen einige mehr angerissen als auserzählt werden. Ich habe den Roman im Rahmen einer Leserunde der Buchcommunity "Lesejury" gerne gelesen.


Man sieht sich bekanntermaßen immer zweimal im Leben, und das erste Mal war in diesem Fall "Als das Leben vor uns lag". Mit "uns" sind die Protagonistinnen des Romans gemeint, die ehemaligen Internatsschülerinnen Olga, Marta, Lolita, Nina und Julia, die das letzte Mal im Alter von ca. 14 Jahren zusammensaßen. Es war der Abschiedsabend, bevor die Zwillinge Olga und Marta das Internat verließen. Doch an diesem Abend ist etwas geschehen, das Leben von einem der Mädchen nahm eine unumkehrbare Wendung. Inzwischen sind die früheren Freundinnen Mitte 40, eine von ihnen initiiert ein Wiedersehen und alle sagen zu. Doch sind sie auch alle so glücklich und erfolgreich, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat?

Die spanisch-katalanische Autorin Care Santos hat einen in Barcelona angesiedelten Roman geschrieben, dessen Haupthandlung an zwei Abenden stattfindet – in den Jahren 1950 und 1981. In der Zwischenzeit hat sich natürlich viel getan – im Leben der Protagonistinnen wie auch in der spanischen Politik. Das Land ist ein anderes, aus den fünf Mädchen von damals sind gestandene Frauen geworden, die einiges erlebt haben. Eine von ihnen stellt fest: „Das Leben ist immer riskant, wie ein reißender Strom. Es gibt Menschen, die glücklich und zufrieden am Ufer entlanggehen und die Verwüstungen im Leben der anderen betrachten, und es gibt andere, die ins Wasser fallen und von der Strömung mitgerissen werden. Manche kommen nicht heil raus. Andere […] können sich an irgendetwas festhalten oder an irgendjemandem.“ Am beschriebenen Abend des Jahres 1981 kommt nach und nach ans Licht, zu welcher Kategorie jede der einzelnen Frauen gehört. Und schließlich wird auch über die Katastrophe des Jahres 1950 gesprochen, die vier von ihnen relativ gut verdrängt hatten.

Die Autorin schafft es, jeder ihrer fünf Protagonistinnen gerecht zu werden. Sie hat sehr unterschiedliche Charaktere erschaffen, von denen keiner ins Klischee abrutscht. Anhand der von den Frauen berichteten Erlebnisse lässt sich der Wandel Spaniens miterleben wie auch ein Stück weibliche Emanzipationsgeschichte. Gleichzeitig wartet Care Santos mit einigen überraschenden Wendungen auf. Herausgekommen ist ein kurzweiliger Roman über Beziehungen, Vergebung und die verschiedenen Arten von Liebe. Und die tröstliche Erkenntnis, dass das Leben zwar nicht mehr komplett vor den Frauen liegt, aber auch mit Mitte 40 noch voller neuer Möglichkeiten sein kann.

Verlag: Bastei Lübbe
Seitenzahl: 384
Erscheinungsdatum: 30. November 2018
ISBN: 978-3404177516
Preis: 10,00 € (E-Book: 8,99 €)

2. Dezember 2018

John Jay Osborn: Liebe ist die beste Therapie

Wenn man diesen Buchtitel hört, erwartet man fast automatisch einen schmalzigen Liebesroman. Das Cover beruhigt dann jedoch: So schmalzig kann er nicht sein, sonst wäre er nicht im Diogenes Verlag erschienen. Abgesehen davon hat das Coverbild so gar nichts Kitschiges: Ein Mann und eine Frau entfernen sich voneinander, er scheinbar entschlossenen Schrittes, sieh etwas langsamer, doch auch unbeirrbar wirkend. Beide sehen etwas verloren aus und ihre Schatten sind länger als sie selbst.


„Liebe ist die beste Therapie“ ist der neueste Roman des 73-jährigen amerikanischen Anwalts und Jura-Professors John Jay Osborn. Er wirkt allerdings wie von einem Paartherapeuten verfasst, basierend auf dessen kumulierten Erfahrungen. Das Buch ist tatsächlich nicht mehr oder weniger als die Schilderung einer Paartherapie, einziger Schauplatz ist das Sprechzimmer von Sandy, der Therapeutin. Die 31 Kapitel schildern ihre Sitzungen mit Charlotte und Steve, die sich getrennt haben, aber herausfinden wollen, ob ihre Ehe noch eine Zukunft hat. Meist kommen die beiden zusammen zu Sandy, manchmal sitzt aber auch nur einer von ihnen vor der Therapeutin.

Sandy sagt Steve bereits in seiner ersten Einzelsitzung, dass die Chance, seine Ehe zu retten, bei 1:1000 liegt. Dass Liebe die beste Therapie ist, würde diese Therapeutin sicherlich nicht unterschreiben, „Liebe allein reicht nicht“ oder „Kommunikation ist die beste Therapie“ träfe den Kern dieses Buches schon eher, klänge als Titel aber zugegebenermaßen nicht besonders vielversprechend. Apropos Versprechen: Der Verlag wirbt auf der Umschlagrückseite damit, dass der Roman „Ihre Beziehung mehr verändern könnte als jede Paartherapie“. Kann das Buch das halten? Ich glaube nicht. Dabei ist es durchaus interessant, Charlotte und Steve lesend zu begleiten. Einem Laien wie mir schienen Sandys Methoden zum Teil unorthodox, sie hatte ab und an einen verblüffenden Blick auf die Dinge, stellte öfters Fragen, die mich (und auch die beiden Protagonisten) überraschten und hielt wenig von Regeln und Absprachen. Glücklicherweise macht Osborn dem Leser zumindest einen Teil ihrer Gedanken zugänglich, so dass ich während der Lektüre ein gewisses Verständnis dafür entwickelte, auf was es Sandy ankam – oft genug tappte ich jedoch auch genauso im Dunkeln wie der untreue Ehemann Steve. Gerne hätte ich noch mehr über die Therapeutin erfahren, es gab einige neugierig machende Anspielungen auf ihr Leben außerhalb ihres Sprechzimmers, aber dabei blieb es leider. „Liebe ist die beste Therapie“ hätte das Potential gehabt, ein vielschichtiger und auch unterhaltsamer Roman zu werden, konzentriert sich aber eisern auf das, was innerhalb der vier Wände des Sprechzimmers beredet wird. Das macht den Roman sicherlich einzigartig – aber auch etwas spröde.

Wie hat mir das Buch nun gefallen? Als sehr ungewöhnliches Lektüreerlebnis hat es durchaus einen gewissen Reiz, keine Frage. Groß bewegt hat es mich allerdings nicht und Spannung kam auch keine auf. Ich will nicht ausschließen, dass der Roman seinen Lesern unterbewusst hilft, ihre Antennen für zwischenmenschliche Kommunikation zu verbessern. Dass er jedoch lebensverändernd wirken kann, glaube ich kaum.

Verlag: Diogenes
Seitenzahl: 288
Erscheinungsdatum: 24. Oktober 2018
ISBN: 978-3257070439
Preis: 22,00 € (E-Book: 18,99 €)