29. Dezember 2021

Alina Bronsky: Das Geschenk

An Weihnachten muss man die Wahrheit sagen – oder besser doch nicht?

Für die Vorstellung eines Weihnachtsbuchs mag ich schon etwas spät sein, wobei Alina Bronsky in „Das Geschenk“ auch nicht viel Besinnlichkeit aufkommen lässt. Im Gegensatz zum Verlag würde ich das Ganze zwar nicht unbedingt als „bitterböses Lesevergnügen“ beschreiben, hatte aber während der Lektüre dennoch gänzlich unweihnachtliche Überraschungsmomente.


Kathrin und Peter haben sich eigentlich auf ein Weihnachtsfest zu zweit gefreut – ohne erwachsene Kinder, Baum und Stress wollten sie die Feiertage einfach mal im Urlaub verbringen. Doch ein Anruf von Klaus hat Kathrin zu einer spontanen Planänderung veranlasst: Der verwitwete Freund hat das Paar eingeladen. Man hat sich lange nicht gesehen, die größte Gemeinsamkeit waren eigentlich die Kinder im ähnlichen Alter – aber zumindest Kathrin will den trauernden Witwer zum Fest der Liebe nicht alleine lassen. Bloß, dass der gar nicht alleine ist, sondern seine neue, junge Lebensgefährtin Sharon einfach nicht erwähnt hat. Und so wäre Kathrin und Peters mildtätiges Weihnachtsopfer gar nicht nötig gewesen, doch sie können sich schwerlich gleich wieder aus dem Staub machen. Und vielleicht gäbe es ja auch trotzdem noch Hoffnung auf angenehme Feiertage … wenn nicht Sharons flapsig-offene Art bei ihren Besuchern etwas auslösen würde. Und so bringt dieses Weihnachtsfest einiges ans Licht, das lange unter den Teppich gekehrt wurde und vielleicht auch besser da geblieben wäre.

Alina Bronsky seziert genüsslich, wie ein Paar durch eine unvorhergesehene Situation komplett aus dem Tritt kommt und erzählt eine Weihnachtsgeschichte, die sich gegen jede Form moralischer Überlegenheit auflehnt. Vermutlich hätte mir die Erzählung noch besser gefallen, wenn mir zumindest einer der Charaktere sympathisch gewesen wäre, aber richtig warm bin ich mit niemandem der vier geworden. Trotzdem liest sich dieses Büchlein schnell und knackig weg und bestätigt wieder einmal, dass das Gegenteil von gut durchaus gut gemeint sein kann. Wer vom Fest der Liebe desillusioniert ist, hat an „Das Geschenk“ vermutlich mehr Freude als echte Weihnachts-Liebhaber*innen.

Ob Weihnachtsmuffel oder -fan: Ich wünsche allen hier Mitlesenden einen guten Rutsch!



Verlag: edition chrismon
Seitenzahl: 112
Erscheinungsdatum: 9. September 2021
ISBN: 978-3960382966
Preis: 12,00 € (E-Book: 9,99 €)

Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar erhalten.

13. Dezember 2021

Rachel Hawkins: Die Verschwundene

Desperate Housewives meets Gone Girl.

Thornfield Estates hat mich ein bisschen an die Wisteria Lane aus „Desperate Housewives“ erinnert: prächtige Villen, gelangweilte Hausfrauen, Klatsch, Tratsch und Missgunst. Und mittendrin eine junge Frau, die schon rein optisch nicht reinpasst: Jane ist Anfang 20, hat weder Familie noch finanzielle Rücklagen und jobbt als Hundesitterin. Zu gerne wäre sie eine der Schönen und Reichen, deren Hunde sie ausführt. Doch plötzlich scheint sie diesem Ziel unverhofft näherzukommen: Eddie Rochester, ein frischgebackener Witwer, interessiert sich für sie – obwohl seine Frau erst seit wenigen Monaten verschwunden ist. Bea und ihre beste Freundin Blanche sind von einem Bootsausflug nicht zurückgekehrt; ein tragischer Unfall wird vermutet. Doch Eddie scheint entschlossen, nach vorne zu schauen, und Jane lässt sich nur zu gerne auf ihn und den ihn umgebenden Luxus ein. Doch der soziale Aufstieg hat seine Tücken; zusätzlich droht Janes Vergangenheit, sie einzuholen. Und sie ist nicht die einzige, die in Thornfield Estates etwas zu verbergen hat …


„Die Verschwundene“ hat mich immer wieder überrascht: Sobald ich annahm, die Geschichte einordnen zu können, kam verlässlich ein neuer Twist, der alle Gewissheiten ins Wanken brachte. Hier ist vieles nicht, wie es scheint, oder wie es geübte Thriller-Leser*innen vielleicht vermuten – und trotzdem bleiben die Entwicklungen stimmig. Der Roman ist aus verschiedenen Perspektiven geschrieben und liest sich dadurch temporeich und spannend. Perfekt, um aus dem Alltag abzutauchen.

Verlag: Heyne
Seitenzahl: 416
Erscheinungsdatum: 13. Dezember 2021
ISBN: ‎978-3453424159
Preis: 13,00 € (E-Book: 4,99 €)

Ich habe dieses E-Book als Rezensionsexemplar erhalten.

5. Dezember 2021

Bülent Ceylan: Ankommen – Aber wo war ich eigentlich?

Sympathische Einblicke in Höhen und Tiefen.

Bülent Ceylan, der Monnemer Comedian mit den vermutlich schönsten Haaren der Szene, hat seine Biografie geschrieben. Hätte ich ihn nicht im Rahmen der ARD-Buchmessenacht daraus lesen hören, hätte ich ihr vermutlich keine größere Beachtung geschenkt, aber so war schon nach wenigen Sätzen klar: Er hat einiges zu erzählen und macht das auf eine sehr sympathische und authentische Art.


In „Ankommen – Aber wo war ich eigentlich?“ schildert Bülent Ceylan sein Leben – quasi vom Kennenlernen seiner Eltern bis heute. Wie es war, in den 1980ern als jüngster Spross einer sechsköpfigen deutsch-türkischen Patchworkfamilie in einer 68qm-Wohnung im Mannheimer Waldhof aufzuwachsen, von der Enttäuschung der väterlichen Verwandtschaft über seine mangelnden Türkischkenntnisse und dem Entschluss, sich in der Schule lieber „Billy“ zu nennen. Überhaupt, die Schule: Bülent war eher Streber als Klassenclown. Von Rückschlägen und Verletzungen erzählt er so ehrlich wie von der liebevollen und prägenden Beziehung zu seinen Eltern. Und dass seine ersten, vorsichtigen Karriereschritte keine Selbstläufer waren, Kaya Yanar die Rolle des „türkischen Comedian“ in den Augen von Veranstaltern komplett auszufüllen schien und er doch einige Zeit auf Kleinkunstbühnen in Mannheim und Umland verbrachte, bis der Durchbruch kam.

Insbesondere die Kapitel über Kindheit und Jugend fand ich toll erzählt, aber auch die Selbstfindung des jungen Erwachsenen ist authentisch und nachvollziehbar beschrieben. Und dann kam endlich der bundesweite Erfolg und mit ihm neue Themen: Bülents Tourfamilie, wie er seine Frau kennengelernt hat und auch kleine Einblicke in das Familienleben, das er aber verständlicherweise privat halten möchte.
Teilweise wird das Buch im letzten Drittel etwas sprunghaft und ist nicht mehr so stringent erzählt wie Bülents Aufwachsen. Spaß macht die Lektüre trotzdem und gibt auch noch ein paar Schlüsselloch-Einblicke in den Comedybetrieb. Der Eindruck, dass Bülent ein offener und liebenswerter Typ ist, bleibt – und wurde bei mir noch dadurch verstärkt, dass er nach seiner Lesung auf der Frankfurter Buchmesse seine Co-Autorin Astrid Herbold auf die Bühne holte, um ihr zu danken und sie „abzufeiern“. Ehre, wem Ehre gebührt – so scheint er seine Mitmenschen generell zu behandeln und trotz großem Erfolg die Bodenständigkeit nicht verloren zu haben. Und vermutlich wirkt Bülent Ceylan gerade dadurch so sympathisch; auf dem Papier wie bei seinen Auftritten.

Verlag: Fischer Taschenbuch
Seitenzahl: 256
Erscheinungsdatum: 8. September 2021
ISBN: 978-3596706600
Preis: 18,00 € (E-Book: 16,99 €)