25. Mai 2021

Claudia Durastanti: Die Fremde

Kaum greifbar.

Lange ist es her, dass ich mich das letzte Mal so schwer mit einem Roman getan habe. Claudia Durastanti verarbeitet ihre Lebensgeschichte als Tochter gehörloser Eltern autofiktional; sie mischt also autobiographische Elemente mit frei erdichteten. Im Klappentext wird versprochen, dass „[d]ieser Roman […] einen keine Zeile lang unberührt [lässt]“, aber auf mich trifft leider das Gegenteil zu: „Die Fremde“ hat mich gänzlich kalt gelassen.


Anfangs nahm ich noch an, dass der Roman chronologisch erzählt werden würde, denn auf den ersten Seiten geht es um das Kennenlernen der Eltern, die Großeltern und die Familiengeschichte an sich. Und tatsächlich ist die Ich-Erzählerin am Ende des Buches erwachsen und beschreibt ihre eigene Beziehung. Der Weg dorthin streift ihre Kindheit, die Umzüge, ihre Reisen und den ersten Job. Das geschieht aber immer nur flüchtig, ohne dass irgendwelche Verbindungen geschaffen werden. Stattdessen werden Erinnerungsfragmente sprachgewaltig beschrieben. Die verwendeten Vergleiche und Metaphern habe ich manchmal als schief empfunden, wenn z.B. der Asphalt „regenschleimig“ ist oder ein „lebloses“ Mädchen sein E-Bike in Gang zu bringen versucht. Das kann aber natürlich auch der Übersetzung geschuldet sein.

„Die Fremde“ hangelt sich relativ assoziativ von einer Begebenheit zur nächsten und verliert sich dabei in Reflexionen. Es gibt keinen größeren Zusammenhang, der beim Lesen Halt bietet, und so ist der Roman an mir vorbeigezogen, ohne Spuren oder Eindruck zu hinterlassen. Zum Kern des Ganzen bin ich nicht vorgedrungen. Die zwischenmenschlichen Beziehungen, die mich durchaus interessiert hätten, waren kaum greifbar. Die Erzählerin berichtet mit großer Distanz, und so habe ich mich wie eine ferne Betrachterin gefühlt, die mal hier und da einen kleinen Einblick in ein Leben erhält, mit den bedeutungsschwangeren Eindrücken aber nichts anzufangen weiß. Die Fremde“ ist mir tatsächlich fremd geblieben.

Verlag: Zsolnay
Seitenzahl: 304
Erscheinungsdatum: 15. Februar 2021
ISBN: 978-3552072008
Preis: 24,00 € (E-Book: 17,99 €)

Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar erhalten.

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