16. September 2021

Ayelet Gundar-Goshen: Löwen wecken

Zwischen den Welten.

Die Israeli Ayelet Gundar-Goshen hat einen Roman geschrieben, den Deutschlandradio Kultur als „nachhaltige Verstörung“ bezeichnet hat. Diesem Urteil kann ich mich nur anschließen – „Löwen wecken“ ist kein bequemes Buch, sondern eins, das immer wieder mit dem Finger in die Wunde tatscht, weil es so entlarvend ist. Und gerade das macht es gut.


Neurochirurg Etan führt ein geregeltes Leben: Er ist mit der Kriminalbeamtin Liat verheiratet, hat zwei kleine Söhne und ein schickes Haus in der israelischen Wüstenstadt Beer Scheva. Doch eine kleine Entscheidung stellt sein Leben auf den Kopf: Nach einer Nachtschicht beschließt, er mit seinem Jeep noch durch die Wüste zu rasen – just for fun. Und fährt dabei einen Mann um, einen eritreischen Einwanderer, der zwar nicht sofort tot ist, aber doch keine Chance hat, zu überleben. Als Arzt ist sich Etan sicher – wie er sich ebenso sicher ist, dass sein Leben ruiniert sein wird, wenn er nun Krankenwagen und Polizei ruft. Also stiehlt er sich vom Unfallort nach Hause.
Doch in jener Nacht war nicht nur das Unfallopfer unterwegs, sondern auch dessen Ehefrau Sirkit. Und die sucht Etan auf und macht ihm ein Angebot, dass er nicht ablehnen kann: Er soll illegale eritreische Einwanderer nachts in einer leerstehenden Werkstatt behandeln – sonst verrät sie ihn. Mit großem Widerwillen lässt sich Etan auf diesen Deal ein, während seine Frau Liat und ihre Kollegen versuchen, den Unfallfahrer zu finden.

Israelis, Eritreer und Beduinen – das ist mal wieder ein Roman, der mir eine neue Welt eröffnet hat, aber gleichzeitig auch in ganz anderen Ecken der Erde spielen könnte. Er handelt von Menschen verschiedener Kulturen, die zwar in direkter Nachbarschaft zueinander leben, sich jedoch sehr fremd sind. Etan und Sirkit wären sich ohne den Unfall nie begegnet und bilden jetzt eine Zweckgemeinschaft. Ist Annäherung so möglich?

Ayelet Gundar-Goshen hat einen schonungslosen und desillusionierenden Roman geschrieben. Etan ist nicht besonders sympathisch, aber auch kein schlechter Mensch – genau wie Sirkit, mit der es das Leben nicht gut gemeint hat. Auf der einen Seite wollte ich wissen, wie es mit beiden weitergeht, auf der anderen Seite hatte ich kaum Hoffnung auf ein annähernd gutes Ende. Und so hatte der Roman zwar Sogwirkung, hat mich aber auch mitgenommen. Was bleibt, ist die alte Erkenntnis, dass eine Lüge meist die nächste nach sich zieht sowie der Vorsatz, seinen Mitmenschen etwas aufmerksamer zu begegnen.

Verlag: Kein & Aber
Seitenzahl: 432
Erscheinungsdatum: 1. Februar 2015
ISBN:‎ 978-3036959405
Preis: 14,00 € (E-Book: 13,99 €)

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