Heute erscheint ein Buch, das ich gestern beendet habe - was nur möglich ist, weil ich es im Dezember auf der Plattform "Vorablesen" als Leseexemplar gewonnen habe. Es war nicht das erste Buch, das ich in diesem Jahr gelesen habe, aber das erste, das ich hier empfehlen will, damit das Jahr 2018 im Romanregal mit einem richtigen Highlight beginnt. Denn genau das ist "Olga" für mich.
Schon länger war ich von keinem Roman mehr dermaßen angetan wie von
„Olga“. Bereits auf den ersten Seiten hat mich Bernhard Schlinks klare,
präzise, schöne Sprache begeistert. Aber auch inhaltlich zog mich die
Geschichte der Anfang der 1880er Jahre geborenen Olga in ihren Bann.
Früh Vollwaise ist sie zwar nicht ganz auf sich alleine gestellt,
erfährt aber trotz Wissensdurst und Ehrgeiz kaum Förderung und
Unterstützung. Dennoch geht Olga ihren – in Anbetracht ihrer Herkunft
und der damaligen Zeit – ungewöhnlichen Weg. Und findet schon früh mit
einem anderen einsamen Kind zusammen: Dem Gutsbesitzersohn Herbert. Olga
und Herbert sind sich nicht ähnlich, aber sie begegnen einander auf
Augenhöhe, verbringen gerne Zeit miteinander, werden langsam erwachsen
und ein Liebespaar. Während sich Olga jedoch ein selbstständiges und
unabhängiges Leben aufbaut, zieht es Herbert in die Ferne. Rastlos sucht
er nach Weite und der Erfüllung, die ihm diese bringt. Seine erste
Reise führt in als Soldat nach „Südwest“, also Namibia; weitere folgen.
Doch
der Leser begleitet Herbert nur kurze Passagen lang, der Fokus des
Buches richtet sich auf die titelgebende Hauptfigur. Olga, eine
intelligente, belesene Frau, die schließlich den ersten Weltkrieg erlebt
und irgendwann auch den zweiten. Ihre Geschichte wird bis in die zweite
Hälfte des 20. Jahrhunderts erzählt; erst aus der Außenperspektive,
irgendwann von einem späten Schützling, schließlich indirekt auch von
ihr selbst. Alle drei Sichtweisen fügen das Bild einer starken Frau
zusammen, die dem Wunsch der ihr am Herzen liegenden Männer, immer höher
und immer weiter hinaus zu wollen, stets skeptisch gegenübersteht – wie
auch dem sich immer wieder Bahn brechenden zeitgenössischen Größenwahn
ihrer Landsleute. Olga bleibt sich treu – und dennoch gibt es im Laufe
des Romans einige unvorhersehbare Wendungen, die mich tatsächlich in
Atem gehalten haben, obwohl sich „Olga“ sonst eher ruhig liest.
Sprache,
Erzählweise und Struktur der Geschichte machen sie zu einer
ungewöhnlich intensiven Leseerfahrung. Für einige Handlungsstränge nimmt
sich Bernhard Schlink Zeit, aber manches Mal zieht er sein Erzähltempo
stark an. Dass „Olga“ trotzdem stimmig bleibt, zeigt, wie virtuos
Schlink schreiben kann. Die Begleitung seiner Romanfigur durch ihr Leben
ist ein bereicherndes Erlebnis, das mich nach Buchende wehmütig
zurückgelassen hat.
Verlag: Diogenes
Seitenzahl: 320
Erscheinungsdatum: 12. Januar 2018
ISBN: 978-3257070156
Preis: 24,00 € (E-Book: 20,99 €)
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Hallo, ich freue mich auf Deinen Kommentar! Bitte hab Verständnis, dass er nicht sofort online erscheint, da ich ihn erst freischalten muss.