Hinter der Fassade.
Der letzte Roman von Liane Moriarty, „Neun Fremde“, hat mich begeistert, weswegen ich mich auf das neue Buch der australischen Autorin sehr gefreut habe. „Eine perfekte Familie“ ist ebenfalls ein Lesevergnügen, aber nicht ganz so abwechslungs- und temporeich wie sein Vorgänger.

„Eine perfekte Familie“ – gibt es das überhaupt? Die Delaneys wirken
zumindest so: Joy und Stan haben sich bereits als junge Erwachsene und
passionierte Tennisspieler kennen und lieben gelernt, gemeinsam eine
Tennisschule gegründet und vier Kinder bekommen. Inzwischen sind die
beiden um die 70 Jahre alt, der Nachwuchs ist längst ausgezogen und die
Tennisschule seit Kurzem verkauft. Zeit für den wohlverdienten Ruhestand
– den aber beide nicht so richtig genießen können. Zumindest Joy weiß,
wer ihr die Rente versüßen könnte: Enkelkinder! Doch weder ihre beiden
Töchter noch die zwei Söhne machen Anstalten, sich fortzupflanzen. Und
so richtet sie ihre Aufmerksamkeit auf jemand anderes, der plötzlich
abends vor ihrer Tür steht: Savannah, eine junge Frau, die Opfer
häuslicher Gewalt geworden ist und auf gut Glück bei den Delaneys
angeklopft hat.
Diese Ausgangssituation baut sich langsam und in
Rückblenden auf, während bereits der Prolog des Romans mit der Tür ins
Haus fällt: Wenige Monate nach den geschilderten Ereignissen ist Joy
verschwunden. Zurück bleiben eine kryptische SMS, die sie an ihre Kinder
geschickt hat, und Ehemann Stan, der sich nicht groß um sie zu sorgen
scheint und auch anderweitig verdächtig wirkt. Doch wie konnte das
passieren – und was ist überhaupt geschehen? Liane Moriarty wechselt
zwischen zwei Zeitebenen und mehreren Erzählperspektiven: In den
Rückblenden erzählt die später verschwundene Joy oft ihre Sicht der
Dinge, doch es sind auch immer wieder Kapitel aus den Perspektiven ihrer
vier Kinder geschrieben. Letztere sind außerdem meist die Erzähler der
im Jetzt spielenden Abschnitte, doch auch die Ermittlerin, die Joys
Verschwinden untersucht, kommt mehrfach zu Wort. Nach und nach wird
klarer, was in der Vergangenheit passiert ist – wobei die Rückblenden
durchaus kleine Längen haben. Nicht zu unterschätzen ist außerdem, dass
die Delaneys eine Tennisfamilie sind und der Sport eine große Rolle
spielt.
Sehr gelungen sind der Autorin die Einblicke in das
scheinbar perfekte Familienleben. Charakterstudien sind Moriartys große
Stärke und ihre Enthüllungen rund um die einzelnen Biografien lesen sich
packend. Wie sich am Ende alle Puzzleteile zusammenfügen, ist grandios:
unvorhersehbar, aber absolut stimmig. Und so macht „Eine perfekte
Familie“ durchaus Spaß, auch wenn dem Roman ein paar Straffungen hier
und da gutgetan hätten.
Verlag: Diana Verlag
Seitenzahl: 560
Erscheinungsdatum: 8. März 2022
ISBN: 978-3453292604
Preis: 22,00 € (E-Book: momentan 4,99 €!)
Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar erhalten.