16. Juni 2025

Kim Eui-kyung: Hello Baby

Unerfüllter Kinderwunsch

Das farbenfrohe Cover und der fröhliche Titel „Hello Baby“ täuschen: Dieser Roman handelt von Sehnsucht, Trauer und Verzweiflung. Sechs der Protagonistinnen besuchen dieselbe Kinderwunschklinik und sind dadurch zu einer Art Schicksalsgemeinschaft geworden. Es gibt eine Rahmenhandlung, die alle Frauen zusammenbringt, im Fokus stehen jedoch Lebensweg und Kinderwunsch(behandlung) jeder Einzelnen.

Autorin Kim Eui-kyung eröffnet im Nachwort, dass sie selbst Patientin in einer Kinderwunschklinik war. Sonst hätte sie dieses Buch, das nicht nur die damit einhergehende Gefühlsachterbahn, sondern auch das medizinische Vorgehen an sich detailliert schildert, sicher nicht so schreiben können. Noch trostloser als die Termine im Kinderwunschzentrum mutet allerdings das Privatleben der Frauen an, obwohl sich die meisten in liebevollen Beziehungen befinden. Doch sie stehen unter enormen Druck: Die Sehnsucht nach einem Baby und die kostspielige Behandlung sind das eine, doch in den meisten Fällen warten auch die Schwiegereltern dringlichst auf ein Enkelkind und haben keine Scheu, wöchentlich nachzufragen. Auf der Arbeit ist der Druck dagegen ganz anders geartet: Hier werden hundertprozentige Leistung erwartet. Sowohl Mutterschutz als Elternzeit scheint es zwar auch in Südkorea zu geben, doch der Roman schildert es als verpönt, von diesen Rechten Gebrauch zu machen und erwähnt Mobbing durch kinderlose Arbeitskolleg*innen. Schon die Zeit für die vielen Arzttermine, die eine Kinderwunschbehandlung mit sich bringt, ist kaum freizuschaufeln, und natürlich spricht man nicht offen über den Grund für die Untersuchungen. Mich hat das sehr deprimiert, da es offensichtlich bittere Realität ist.

Und dann ist da noch die siebte Protagonistin, Seolju Choi: Sie hat drei Kinder; offenbar eine Anzahl, über die hinter ihrem Rücken bereits getuschelt wird. Ausgerechnet ihre Mutter und Schwiegermutter sind nicht besonders erpicht auf ihre Enkel, ihren Beruf hat sie aufgegeben, da sie nicht beides für sich zufriedenstellend vereinbaren konnte. Ihr Mann bietet zwar finanzielle Absicherung, jedoch keine emotionale Unterstützung. Und so ist auch diese Frau unglücklich. Die nebenbei eingestreute Information, dass Südkorea eine der niedrigsten Geburtenraten weltweit hat, erstaunt kaum noch.

„Hello Baby“ ist kein fröhliches Buch, aber ein wichtiges. Die Autorin berichtet, wie unsichtbar Kinderwunschbehandlungen für das Umfeld betroffener Paare oft bleiben – als wären sie ein Makel, den man besser für sich behält. Und so kann diese ohnehin schwierige Zeit auch noch ziemlich einsam werden. Hier haben die sechs Protagonistinnen mit Kinderwunsch ein Gegenmittel gefunden: Im „Hello Baby“-Chat geben sie sich Ratschläge, aber auch Halt. Und so sind dieser Chat und die Gemeinschaft der Frauen ein kleiner Hoffnungsschimmer.

Während der Lektüre war ich sehr froh, in einem Land zu leben, in dem Frauen freier in ihrer Lebensgestaltung sind, die gesellschaftlichen Erwartungen nicht dermaßen hoch und das familiäre Leben nicht so traditionell geprägt. Doch eine Kinderwunschbehandlung ist auch hier kein Spaziergang. Darüber zu reden und das Ganze zu normalisieren, kann Betroffenen nur helfen. Kim Eui-kyung leistet einen Beitrag dazu, indem sie dem Thema mehr Sichtbarkeit gibt.


Verlag: Blumenbar
Seitenzahl: 223
Erscheinungsdatum: 14. Mai 2025
ISBN: 978-3351051280
Preis: 22,- € (E-Book: 16,99 €)

Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar erhalten.

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