20. November 2019

Håkan Nesser: Der Verein der Linkshänder

Leider überladen

Vor ein paar Jahren habe ich fast alle Krimis verschlungen, in denen Håkan Nesser seinen Inspektor Barbarotti ermitteln ließ. Dass ich 2011 „Die Einsamen“ las, war eher Zufall, aber danach war es um mich geschehen und ich besorgte mir ein Buch nach dem anderen. Später verlor ich den Autor aus den Augen und freute mich vor ein paar Wochen um so mehr, als ich die Möglichkeit bekam, sein neuestes Buch „Der Verein der Linkshänder“ zu rezensieren, in dem Inspektor Barbarotti sogar in Erscheinung tritt – neben Van Veteeren, Hauptkommissar im Ruhestand, um den Håkan Nesser seine erste, zehn- (jetzt elf-)bändige Krimireihe geschrieben hat.
Ich hatte also hohe Erwartungen, als ich mit „Der Verein der Linkshänder“ loslegte. Doch zunächst fesselte mich der Krimi kaum.


Die Romangegenwart beginnt im Oktober 2012, nicht lange vor dem 75. Geburtstag des ehemaligen Hauptkommissars Van Veteeren, dem dieser ziemlich unbegeistert entgegensieht. Davon lenkt ihn jedoch bald die ihn noch weniger begeisternde Erkenntnis ab, dass ein Vierfach-Mord, den er 1991 aufgeklärt hat, gar nicht aufgeklärt ist. Die Leiche des mutmaßlichen Täters wird gefunden und er scheint am gleichen Tag ermordet worden zu sein wie die, die man für seine Opfer hielt. Plötzlich gibt es also einen 21 Jahre zurückliegenden, unaufgeklärten Fünffach-Mord. Die Opfer gehörten als Kinder und Teenager dem selbstgegründeten „Verein der Linkshänder“ an, hatten sich aber gute zwei Jahrzehnte lang nicht gesehen, bevor sie sich 1991 wiedertrafen – und wenige Stunden später gemeinsam ums Leben kamen.

Dass diese nun ans Licht kommende Verfehlung an Van Veteerens Ehre kratzte, konnte ich verstehen. Dass ein Dreivierteljahrhundert ein Geburtstag ist, den man nicht so einfach wegsteckt, auch. Dennoch ging mir beides bald auf die Nerven, denn Van Veteerens Befindlichkeiten wurden für meinen Geschmack deutlich zu viele Seiten eingeräumt. Aufgelockert werden diese Kapitel durch andere, die 1991 spielen und nach und nach das Wiedersehen der Linkshänder beschreiben. Und schließlich taucht auch noch Inspektor Barbarotti auf – wegen eines anderen Falls und schließlich dem Verdacht, dass alles miteinander zusammenhängen könnte.

Klingt kompliziert? Ist es auch. Und liest sich – nachdem Van Veteerens Geburtstag dann irgendwann vorbei ist und der Krimi doch langsam Fahrt aufnimmt – trotzdem recht gut, denn Håkan Nesser kann prima schreiben, Persönlichkeitsentwicklungen glaubhaft darstellen und spannende Geschichten entwerfen. Diese hier hat mal locker drei ausufernde Nebenhandlungen, die an und für sich alle interessant sind. Dennoch: Für meinen Geschmack will der Autor hier zu viel. Ein neuer Fall, ein alter Fall, ein noch älterer Fall, aktive Polizisten, Polizisten im Ruhestand, die Ehefrau eines Polizisten im Ruhestand, Trauer, Angst, Rache, Schuld … und trotzdem hatte ich noch vor Seite 200 eine Ahnung, wer der wahre Mörder sein könnte. Diese bestätigte sich dann auch gute 400 Seiten später.

Und dann war der Fall zwar aufgeklärt, ließ mich aber mit einigen großen Fragezeichen zurück, weil manche Geschehnisse einfach nicht logisch sind. Ich kann hier kaum Beispiele nennen, ohne zu spoilern, aber ich hatte den Eindruck, dass Handlungsstränge einfach abbrachen, sobald der Erklärungsbedarf zu offensichtlich wurde. Weniger wäre hier wohl mehr gewesen – weniger Schauplätze, Ermittler, Geburtstagsblues und nicht so viele Seiten. Ich denke, das hätte der Geschichte gutgetan.

Verlag: btb
Seitenzahl: 608
Erscheinungsdatum: 23. September 2019
ISBN: 978-3442758159
Preis: 24,00 € (E-Book: 16,99 €)

Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar erhalten.

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