23. April 2025

Suzanne Collins: Die Tribute von Panem L. Der Tag bricht an

Panem, die fünfte

Suzanne Collins entführt ihre Leserinnen und Leser ein fünftes Mal nach Panem – 24 Jahre vor Beginn der Trilogie um Katniss Everdeen und 40 Jahre, nachdem Coriolanus Snow selbst Mentor eines Tributs aus Distrikt 12 bei den Hungerspielen war. Inzwischen ist er längst der grausame Präsident geworden, den man aus den ersten Bänden kennt. Und hat sich mit seinen Spielemachern etwas besonders Brutales für die 50. Hungerspiele einfallen lassen: Aus jedem Distrikt werden nicht nur zwei, sondern gleich vier Tribute ins Kapitol gebracht. 

Zu den Unglücklichen gehört Haymitch Abernathy, der spätere Mentor von Katniss und Peeta. Aus der Trilogie kennt man ihn als meist betrunkenen, einzelgängerischen Zyniker – „L“ zeigt, was ihn dazu gemacht hat. Hier ist Haymitch erst 16 Jahre alt; er lebt mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder im Saum, verdient für die Familie dazu, was ihm möglich ist und versucht, seine knappe Freizeit mit seiner Freundin Leonore Dove zu verbringen. All das endet jäh, als er – auch noch an seinem Geburtstag, an dem die sogenannte „Ernte“ traditionell stattfindet – zum Tribut wird.

Was Haymitch erlebt, erinnert unweigerlich an die 74. Spiele, an denen Katniss und Peeta teilnehmen mussten. Jetzt sind es allerdings vier vermeintlich chancenlose Kandidatinnen und Kandidaten aus dem verarmten Distrikt 12, die zunächst zur Schau gestellt, eingekleidet, vorbereitet und trainiert werden. Es gibt Wiedersehen mit alten Bekannten: Neben Snow treten z.B. Plutarch, Beetee, Wiress, Mags und Effie in Erscheinung. Und schließlich beginnt der Überlebenskampf in der Arena.

Über dem kompletten Roman scheint von Anfang an ein Damoklesschwert zu schweben: Zwar ist klar, dass Haymitch überlebt – wer die Trilogie kennt, weiß aber auch, was aus ihm geworden ist. Ein Happy End ist bei „L“ also nicht zu erwarten. Stattdessen sterben natürlich auch hier wieder liebgewonnene Charaktere, bei 48 Tributen sogar noch mehr als sonst. Es wirkt so, als hätte Suzanne Collins sich diesmal nicht ganz so viel Zeit dafür genommen, Nebenfiguren auszugestalten, aber es sind in diesem Buch natürlich auch besonders viele. Dennoch war ich überrascht, wie sang- und klanglos einige verschwanden und hatte teilweise mehr Interaktion oder auch nur Erwähnungen erwartet. So habe ich weniger intensiv mitgefühlt, als ich es aus den bisherigen Bänden gewohnt war.

Insgesamt bin ich hin- und hergerissen: Die Geschichte von Haymitch hat mich durchaus interessiert, ist aber in noch höherem Maße tragisch, traurig und grausam als die anderen Panem-Bücher. Vieles habe ich unweigerlich mit den 74. Hungerspielen verglichen, die ich als ausgewogener geschildert in Erinnerung hatte. Und so landet die Geschichte des zweiten Siegers aus Distrikt 12 auf meinem persönlichen fünften Platz. Sie macht allerdings tatsächlich Lust darauf, die Trilogie noch einmal zu lesen. Haymitch sieht man nach dieser Geschichte mit anderen Augen.


Verlag: Oetinger
Seitenzahl: 464
Erscheinungsdatum: 18. März 2025
ISBN: 978-3751207164
Preis: 26,- € (E-Book: 15,99 €)

Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar erhalten.

16. April 2025

Sarah Goodwin: Die Yacht

Erst Luxusparty, dann Seenot

Aller guten Dinge sind drei! Tatsächlich ist das schon der dritte Thriller, den ich von Sarah Goodwin gelesen habe. (Die Rezension zum ersten, "Stranded", ist hier zu finden.) Was die Autorin richtig gut kann: verzweifelte Überlebenskämpfe schildern. Woran es ab und zu hapert: an der Plausibilität.

Hauptfigur Hannah freut sich auf die luxuriöse Silvesterparty ihrer Kindheitsfreundin Libby, die dieses Jahr auf einer an der Ligurischen Küste liegenden Yacht stattfindet. Die Anreise, die sie mit dem eigenen Auto möglichst kostengünstig gestaltet, ist zwar mühsam, doch sie will sich das Ganze auch nicht entgehen lassen. Schließlich ist Libbys Silvesterspektakel ihr jährlicher Ausflug in die Welt der Reichen und Schönen, zu der sie sonst keinen Zugang hat. Erst bei ihrer Ankunft wird Hannah klar, wie exklusiv die diesjährige Party ist: Sie sind gerade mal zu sechst auf der gar nicht so großen, aber extrem aufgemotzten Yacht, die gut vertaut im Hafen liegen bleiben soll. Doch am Neujahrsmorgen finden sich Hannah und die anderen plötzlich auf hoher See wieder und erkennen bald, dass sie aus eigener Kraft nicht zurück an Land kommen werden. Als von den sechs Anwesenden nur noch fünf auffindbar sind, spitzt sich die Lage immer weiter zu …

Goodwins neuester Thriller hat das Zeug zu einem fesselnden Pageturner: Locked-Room-Szenario, undurchschaubare Gruppendynamik und jede Menge Geheimnisse inklusive. Geschmälert wird das Lesevergnügen durch die zum Teil ziemlich eindimensional dargestellten Charaktere. Ich-Erzählerin Hannah mit ihren Nöten und Ängsten ist man dagegen ganz nah – das ist spannend und ließ mich am Ball bleiben. Vorteilhaft war auch, dass ich keine Ahnung von Yachten und Seewegen habe – denkt man jedoch etwas länger auf der ganzen Situation herum, stellt sich schnell die Frage, wie realistisch das Setting eigentlich ist. Insbesondere im letzten Drittel wurde die Geschichte wieder sehr abenteuerlich. In ihren Bann gezogen hat sie mich trotzdem: Mit Schreibstil und Spannungsaufbau kann Goodwin größtenteils überzeugen.


Verlag: Lübbe
Seitenzahl: 400
Erscheinungsdatum: 28. März 2025
ISBN: 978-3404194292
Preis: 13,99 € (E-Book: 4,99 €)

Ich habe dieses E-Book als Rezensionsexemplar erhalten.