Teufel ohne Prada
Das erste Buch, das ich von Caroline Wahl gelesen habe. Der Klappentext hatte mich gleich angesprochen. Bücher, die im Verlagswesen spielen, mag ich ab und an ganz gerne und die Geschichte – Berufseinsteigerin wird Assistentin von einem schwer aushaltbaren, narzisstischen Verleger – klang interessant. Und auch ein nicht zu kleines Bisschen nach „Der Teufel klingt Prada“, wobei Wahl in ihrem Roman selbst zweimal auf diesen Stoff anspielt.
An Protagonistin Charlotte ist man schnell ganz dicht dran. Sie zieht für den neuen Job nach München, eine ihr unbekannte Stadt, in der sie niemanden kennt. Zu der Stelle haben sie vor allem ihre Eltern gedrängt, die eine Karrierechance für ihre Tochter erkannt zu haben glauben. Generell sind „die Mutter“ und „der Vater“ (Namen werden nicht genannt) sehr selbstsicher und meinen genau zu wissen, was das Beste für die erwachsene Tochter ist. Die wiederum hat sich auch noch nicht komplett abgenabelt, schmollt viel, verhält sich ihren Eltern gegenüber oft kindisch und buhlt um die Anerkennung des Vaters. Die familiären Dynamiken fand ich ziemlich befremdlich, aber überzeugend dargestellt – genau wie die Persönlichkeit des Verlegers. Geschildert werden so viele kleine Grenzüberschreitungen unterschiedlicher Art – was die Aufgaben, die Arbeitszeiten, die Kommunikation etc. angeht – dass die Fülle einen mehr und mehr ratlos zurücklässt. Der Mann hat diverse Spleens, größere Stimmungsschwankungen, legt immer wieder unangebrachtes Verhalten an den Tag und die Frequenz macht das Ganze schließlich unerträglich. Dabei erträgt Charlotte viel, sie will sich beweisen. Doch zu welchem Preis?
Die Geschichte dieser nicht ganz unsperrigen Protagonistin hat Sogwirkung; ich habe mit ihr mitgefiebert und mich auch immer wieder gefragt, wo meine eigenen Grenzen gewesen wären. Öfters aus dem Lesefluss rausgerissen hat mich allerdings ein Stilelement, das erstaunlich oft zum Einsatz kommt: Foreshadowing. Immer wieder verkündet die Erzählerin zu Ende oder zu Beginn der kurzen Kapitel, wie es generell weitergeht: Ob es Lichtblicke geben, alles immer schlimmer werden wird o.ä. Ich hätte das nicht gebraucht, im Gegenteil, es hat mich gestört, zumindest in dieser Häufung. Die letzte Seite dagegen hat mich zum Lachen gebracht, weil sie wirkt, als hätte die Autorin noch schnell die Erwartungen erfüllen wollen, aber auch absolut keinen Bock mehr.
Insgesamt habe ich die Geschichte sehr gerne gelesen und fand die enge Begleitung Charlottes faszinierend. Wenn ich mir ein weiteres Buch aus dem Universum wünschen dürfte, wäre es wohl ein Roman über die Personalerin Alexandra Liebig – wobei Wahl es tatsächlich schafft, dass alle Haupt- und Nebenfiguren komplex und interessant wirken. Das trägt ihren Roman bestens – die ständigen Spoiler wären gar nicht nötig, um Leserinnen und Leser am Ball zu halten.
Verlag: Rowohlt
Seitenzahl: 368
Erscheinungsdatum: 28. August 2025
ISBN: 978-3498007706
Preis: 24,- € (E-Book: 19,99 €)